Collector
Weste grinste ihn an.
Arschloch. Kris wurde an den nüchternen, weiß gestrichenen Wände vorbeigeführt, denen man ansah, dass sie aus vernieteten Platten bestanden. Er schielte auf die Bewaffnung seines Wächters: eine Gauss Highfire Pistole sowie ein Elektro-Klickstock im Gürtelholster; das Sturmgewehr hing lässig über der Schulter und war derzeit nicht einsatzbereit. Niemand hielt ihn für gefährlich.
Shiva's Fortress roch nicht nach neuer Farbe, aber auch nicht alt oder verbraucht. Die Forschungsstation schien sich in einem Stadium der Nutzung zu befinden, wo sich alles perfekt eingespielt hatte und sich jeder darin auskannte.
Ungefähr in der Mitte des Korridors passierten sie geschlossene Lifttüren.
»Wo sind wir? In welcher Sektion?«, wollte Kris wissen.
»Wir sind im Sicherheitstrakt«, erklärte ihm 002342. »Die anderen Ebenen sind für Unbefugte nicht zugänglich. Weitere Auskünfte kann ich Ihnen nicht geben. Wir gehen einfach hin und her. Schweigend.« Damit hatte der Gardeur klargemacht, dass er erstens keine Lust auf eine Unterhaltung hatte und zweitens ihn nicht leiden konnte.
Letzteres beruht auf Gegenseitigkeit. Also lief Kris wie ein gefangenes Tier von einem Gangende zurück zum nächsten, bis eine Stunde verstrichen war. Gerade wollte er in seine Zelle zurückkehren, als sich die Fahrstuhltüren öffneten und der Professor herauskam.
»Ah, da sind Sie ja, Mister Schmidt-Kneen«, sagte er in seinem fröhlichen Tonfall.
Vermutlich spricht er Beschimpfungen und Todesnachrichten genauso aus. »Wo sollte ich auch sonst sein?«, gab Kris müde zurück.
Fandaram lachte. »Da ist er wieder, Ihr trockener Humor.«
»Ich hatte nicht vor, witzig zu sein.« Es stimmte: Wo, verfickt noch eins, sollte er sonst auch sein? »Hat der CEO gesprochen?«
»Er hat, Mister Schmidt-Kneen. Und nicht nur er.« Er legte ihm die Hand auf den Rücken und schob ihn in den Lift. »Kommen Sie in den Besprechungsraum. Da erfahren Sie alles Weitere.« Der Gardeur fuhr mit ihnen nach oben. »Inzwischen hat sich auch Gauss gemeldet. Nicht bei uns, sondern auf Starlook und über Freepress. Man ist mächtig sauer auf Sie. Die Zehntausend, die wir Ihnen gezahlt haben, sehen sie als Beweis an, dass Sie den Konzern von Anfang an getäuscht hätten.«
»Klar.« Kris blieb ruhig. Er hatte mit so etwas schon gerechnet. »Ich wäre auch so blöd und würde mir das Geld auf mein Konto ...« Er schwieg. Scheiße, ich habe wirklich nicht darüber nachgedacht! Er seufzte. »Also, was ist die Konsequenz? Machen Sie es nicht so spannend, Professor!«
Fandaram nahm sein zigarettenboxkleines, millimeterdünnes Note-Pad aus der Brusttasche. »Ich habe es Ihnen aufgezeichnet.« Er hielt es ihm hin.
Kris nahm es entgegen und ließ den Beitrag laufen.
Zu sehen war ein Schwenk über die Ausgrabungen, die Einstellung verharrte dann auf einem Mann mit einem geschmolzenen Eisenstück in der Hand. »Ein neuerlicher, brutaler Überfall macht derzeit auf Terra von sich reden.« Im unteren Bildrand wurde Salvador »Vador« M. Ransom, Sternenreporter eingeblendet.
Kris kannte ihn. Execs nannten ihn auch gerne mal Pest, die Gewerkschaften fanden Worte wie Wahrheitsfinder und - verdreher. Kaum jemand, der Macht besaß, mochte »den Vador«. Und für eine Sensation war er sich niemals zu schade. Die normalen Zuschauer liebten die Berichte des Sternenreporters, in denen gelegentlich Kraftausdrücke zu hören waren.
Danach zeigte die Kamera die zerstörten Hoverpanzer und Reste des LCV, die sich beim abrupten Start des Antriebs gelöst hatten: Teile der Abdeckung sowie geschmolzener Stahl vom Auflieger, der Spuren in den Meeresboden gebrannt hatte. Im Hintergrund lief dramatische Musik und Vadors Off-Stimme erklärte, es habe achtundzwanzig Tote gegeben. Eigentum von Gauss Industries sei brutal entwendet worden.
»Auf der Flucht befindet sich der Fahrer des LCV, Kris Schmidt-Kneen.« Sein harmloses Konterfei wurde eingeblendet, das aus der Freighteners-Akte stammte: männlich, aber harmlos. »Allem Anschein nach wusste er von den Plänen. Gauss Industries hat für Hinweise, die zur Ergreifung des Mannes führen, eine Belohnung ausgesetzt. Vorgeworfen werden ihm Beteiligung an schwerem Raub und Betrug an seinem Auftraggeber GI«, sagte die Stimme scharf. »Da bei dem Raub auch Jagdflieger des italienischen Staates vernichtet wurden, die den Konzerngardeuren zu Hilfe kamen, wird Kris Schmidt-Kneen mit interstellarem Haftbefehl gesucht.«
Weitere Kostenlose Bücher