Collector’s Pack
Bruder gesagt hatte.
Halt die Luft an. Einundzwanzig, zweiundzwanzig … Einen Wusch frei, wenn du es schaffst, bis der Zug durch ist.
Nikolas öffnete die Hand, zog das blaue Würmchen aus dem Pillendöschen und knickte es einmal durch, wie Peter gesagt hatte. Das kleine Würmchen enthielt eine Paste aus Rotem Quecksilber und einem Material, das beim Knicken eine chemische Reaktion auslöste, die ein Licht von 442 Nanometern Wellenlänge erzeugte. Man konnte es sofort sehen.
»Nakashima wollte, dass ich Seth damit töte«, sagte Peter.
Das Würmchen begann bläulich zu glimmen. Nikolas legte es in die Mitte des Stollens auf einen der Kokons und kehrte dann zu Peter zurück. Nach allem, was Peter über das Rote Quecksilber wusste, würde die Sprengkraft verheerend sein.
»Wie lange haben wir noch?«, fragte Nikolas.
»Ich weiß es nicht. Fünf Minuten vielleicht, bis das Licht das Rote Quecksilber zündet.«
Ohne sich noch einmal umzublicken, verließen sie das Labor. Als sie durch den langen Gang auf die Schleuse zueilten, sahen sie durch die gepanzerten Scheiben der Tür, dass sie draußen erwartet wurden.
Von Edward Kelly.
LVII
13. Juli 2011, Via Corinaldo, Rom
E r fühlte sich auf einmal alt. Er merkte es an Kleinigkeiten, an der Erschöpfung, die ihn während des Tages plötzlich überfiel oder der Taubheit in den Fingern manchmal morgens. Er merkte, dass der Zug seines Lebens an Fahrt verlor und auf einen nicht allzu fernen Bahnhof zusteuerte, wo er dieses robuste Gefährt seines Körpers würde verlassen und ankommen müssen. Sein Leben lang hatte er sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinandergesetzt, er fürchtete sich nicht vor dem Tod. Aber seit dem Attentat in Uganda vor über einem Jahr hatten sich die Dinge verschoben. Nicht der Tod – das Sterben machte ihm nun Angst. Franz Laurenz begriff allmählich, dass Gott ihm die schwerste aller Prüfungen womöglich erst zum Schluss auferlegen wollte – ein langsames, bewusstes Altern, ein dämmerndes Verschwinden, eine schleichende, unaufhaltsame Auflösung.
Ächzend richtete er sich von dem unbequemen Sofa auf und sah auf die Uhr. Er hatte vier Stunden geschlafen, nachdem eine der Clemensschwestern ihn dazu genötigt hatte. Das Aufstehen fiel ihm schwerer als sonst, er spürte, wie steif seine Gelenke waren. Erst nach einigen Übungen kehrt die gewohnte Geschmeidigkeit zurück. Eine Rasur war fällig, doch zuvor kniete Laurenz vor dem Bett nieder und betete. Er betete für seine Tochter Maria, für Sophia, für Peter Adam und seinen Bruder. Und zum ersten Mal nach langer Zeit betete er auch wieder für sich selbst.
»Herr, gib mir die Kraft, dein Werk zu erfüllen. Du nimmst mich zu dir, wenn es dir gefällt, aber ich bitte dich, Herr, gib mir noch etwas Zeit. Ich bin auf dieser Welt noch nicht fertig. Amen.«
Als er sich rasiert hatte, fühlte er sich bereits deutlich besser. Im zweiten Stock herrschte angespannte Betriebsamkeit. Von Maria allerdings immer noch keine Spur.
»Einen Cappuccino und ein Cornetto bitte«, sagte er, als Schwester Rosaria ihn fragte, ob er etwas essen wolle. Sein Appetit verflog jedoch sofort, als Yoko Tanaka auf ihn zukam. Ihr Gesicht wirkte verschlossener als sonst, ihre Augen gerötet.
»Soeben sind die forensischen Analysen der Mumie mit dem Löwenkopf gekommen«, sagte sie und reichte Laurenz einen Stapel geheftete Papiere mit Zahlenreihen und einem Diagramm. Er warf nur einen flüchtigen Blick darauf.
»Und?«
Yoko Tanaka musste sich offenbar zusammenreißen. »Die Leiche ist auf natürliche Weise mumifiziert.«
»Was heißt natürlich?«
»In den Hochkulturen der Ägypter und der Maya wurden chemische Verfahren verwendet. Heutzutage lässt sich Mumifizierung künstlich zum Beispiel durch Gefriertrocknung erzielen. Ein sehr schnelles Verfahren. Bei einem menschlichen Körper bräuchte man dazu zwar eine riesige Anlage, aber prinzipiell ist es möglich. All diese Verfahren lassen sich nachweisen. Diese Mumie jedoch ist auf natürlichem Wege entstanden, an einem sehr trockenen Ort über eine ziemlich lange Zeit. Monate vermutlich.«
Laurenz nickte beruhigt, denn das bedeutete, dass die Mumie tatsächlich nicht Maria sein konnte.
»Was ist mit dem Löwenkopf?«
»Ja, da stehen die Forensiker vor einem Rätsel. Es ist kein Löwenkopf, sondern etwas anderes.«
»Was?«
»Eher etwas Reptilienartiges. Aber es konnte keiner bekannten Reptilienart zugeordnet werden. Man konnte auch keinerlei
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