Collector’s Pack
doch er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, so schnell wie möglich nach Rom zu kommen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein sportliches junges Paar, das sich an einem Zeitschriftenstand herumdrückte. Ein Mönch verschwand in der öffentlichen Toilette. Ein Mann im Anzug band seine Schnürsenkel zum dritten Mal neu.
Nur nicht paranoid werden, jetzt.
Wie er unter diesen Umständen vor sechs Tagen unbemerkt nach Deutschland eingereist sein sollte, blieb ihm weiterhin ein Rätsel. Der südafrikanische Diplomatenpass verschaffte ihm zwar Visumsfreiheit, aber noch keine diplomatische Immunität.
Als er das Flughafengebäude verließ, begrüßte ihn der römische Sommer mit einem Schlag ins Gesicht. 36 °C. Nach wenigen Schritten zog Peter bereits sein Jackett aus und krempelte sich die Hemdsärmel hoch. Er schwitzte am ganzen Körper.
Du bist nichts mehr gewohnt. Reiß dich zusammen.
Zum Glück war das Taxi klimatisiert. Der sizilianische Fahrer war zu apathisch für Small Talk. Selbst als sie die Via della Conciliazione kreuzten und Peter einen Blick auf den Trümmerberg werfen konnte, wo noch vor wenigen Wochen der Petersdom und die Sixtinische Kapelle gestanden hatten, wurde er nicht gesprächiger. Peter sah überall Polizeisperren, die ihn zunehmend beunruhigten.
Irgendwann wird dich jemand erkennen, mach dir nichts vor.
Rom. Seine Lieblingsstadt. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert. Rom schien immer noch das zu sein, was es immer gewesen war – zu laut, zu voll, zu gierig, prächtig und trotzig in seinem Anspruch, ewig zu überdauern. Auf dem Platz vor dem Pantheon drängten sich immer noch die Jugendgruppen, Pilger und Studienreisende aus aller Welt zwischen den Souvenirhändlern und Taschendieben. Aus den umliegenden Restaurants wehte der Geruch von Tomatensauce und gegrilltem Fisch über den Platz. Peter fühlte sich sofort wieder zu Hause, genoss es trotz der Gefahr, wieder in Rom zu sein. Eine Weile blieb er einfach so an dem vereinbarten Treffpunkt stehen, sein Umfeld wachsam im Blick, und ließ sich die Sonne auf den immer noch ungewohnt kahlen Schädel brennen. Er widerstand dem Impuls, auf einen caffè con panna in der nahen Bar Sant’Eustachio vorbeizuschauen. Zu riskant. Er blieb einfach, wo er war, wie vereinbart, wartete ab, was passieren würde. Er hatte plötzlich Lust zu rauchen.
»Signor Adam?«
Peter wandte sich um und sah einen jungen Priester, der ihn mit leichter Arroganz musterte.
Gut trainiert. Wache Augen. Kein leichter Gegner.
»Sie müssen mich verwechseln«, erwiderte Peter ruhig auf Italienisch. »Mein Name ist DeFries.«
Der Priester zog eine Augenbraue hoch und reichte ihm einen Zettel. Darauf stand in Marias ordentlicher Handschrift auf Deutsch:
Das ist Pater Giovanni. Folge ihm.
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»Bitte, Signor Adam.« Pater Giovanni deutete auf einen schwarzen Alfa Romeo mit stark getönten Scheiben und vatikanischem Kennzeichen, der in der Nähe parkte. »Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten, aber wir mussten erst sicher sein, dass Sie nicht verfolgt werden.«
»Sie waren schon am Flughafen, stimmt’s?«
Der Priester hob die Augenbrauen. »War ich zu auffällig?«
»Kein Problem«, sagte Peter und verkniff sich ein Grinsen. »Wo bringen Sie mich hin?«
»An einen sicheren Ort.«
Damit war für ihn das Gespräch offenbar auch beendet. Während der ganzen Fahrt reagierte er nicht mehr auf Peters Fragen und steuerte den Alfa konzentriert und zügig aus dem Zentrum heraus Richtung Osten nach Tiburtina, einen Vorort mit weiten Industrieflächen und Arbeitersiedlungen aus den 50er Jahren. In der Via Corinaldo hielt der Alfa schließlich vor einem schmucklosen Mehrfamilienhaus. Auf der Straße war niemand zu sehen, die Fenster der Wohnung wie immer im Sommer mit Jalousien verschlossen. Pater Giovanni wartete dennoch, bis er sicher war, dass sie nicht beobachtet wurden, und schickte Peter dann los.
»Nr. 15C bei Mutolo.«
Sie erwartete ihn im zweiten Stock, öffnete die Tür, noch bevor er klopfen konnte, fiel ihm im Treppenhaus um den Hals. Und da war er: Marias Mund, dieser große, weiche Mund, der schallend lachen und zornige Wellen schlagen konnte. Flog einfach auf ihn zu und traf ihn wie ein Vogel, der sein Ziel nach langem Flug endlich erreicht hatte. Peter spürte ihre Lippen, ihre Zunge, ihren Atem. Ohne ein einziges Wort zu sagen, hielt Maria ihn umschlungen, drückte sich an ihn und küsste ihn, als wollte sie nie wieder damit aufhören. Beim
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