Collector’s Pack
auf Mitternacht zuging, stand die Sonne noch über dem Horizont und badete die kleine Insel im Vanylvsfjord in goldenes Licht. Peter konnte in der Ferne die Küstenlinie des Festlands erkennen. Der weiße Sikorsky S76 Helikopter mit der amerikanischen N-Kennung stand mit abgeschalteten Rotorblättern hinter ihm auf einem kleinen Felsplateau. Die beiden Gasturbinen knackten noch leise beim Abkühlen. Peter hatte den Hubschrauber geflogen, als ob er nie etwas anderes getan hätte, immer dicht über dem Wasser, nie höher als dreihundert Fuß, die ganzen zweihundert Seemeilen. Er hatte die richtigen Handgriffe für die Checks gewusst, die Einstellung für die Navigationsinstrumente und den Autopiloten. Er hatte den komplizierten Startvorgang gemeistert, das heikle Zusammenspiel zwischen Steuerknüppel, Heckrotorpedalen und Kollektivhebel für den Anstellwinkel der Rotorblätter. Er hatte die tückische Kreiselpräzession des Hauptrotors beim Kurvenflug ausgeglichen – er war dieses Ding tatsächlich geflogen.
»Hat alles geklappt mit dem Flug?«, fragte Nikolas.
»Ohne Probleme. Wie hast du das gemacht? Ich meine, dass ich das plötzlich konnte …«
»ER hat es gemacht«, sagte Nikolas. »ER erwartet uns.«
»Warum wir?«, fragte Peter.
Nikolas sah an Peter vorbei. »Weil wir auserwählt sind. Wir sind die Werkzeuge des Lichts, du und ich.«
Peter stöhnte und blickte zurück zum Hubschrauber.
Das ist doch Wahnsinn. Was machst du hier eigentlich?
Der Tank war noch fast halb voll. Genug, um den nächsten Flugplatz zu erreichen, wo es Menschen gab. Behörden. Telefon. Probleme. Heiterkeit. Normalität.
»Ich weiß selbst, dass ich wahnsinnig bin, Peter«, begann Nikolas wieder. »In deinen Begriffen bin ich krank. Die Bestie mit der Machete. Aber ich habe Dinge gesehen, von denen du dir keine Vorstellung machst.«
»Ich scheiß auf das Licht«, sagte Peter kühl. »Ich will nur mein Leben zurück. Ich will wissen, woher wir kommen, wer wir wirklich sind.«
Ein schmerzhafter, wehmütiger Zug trat in Nikolas’ Gesicht. »Glaubst du an Erlösung, Peter? Vergebung?«
»Eine Scheißfrage, ehrlich. Also – du hast was von einem Plan gesagt.«
Nikolas lächelte jetzt. Ein offenes, beinahe schüchternes Lächeln. »Wir müssen hier weg. Ich erkläre dir alles unterwegs.«
Einundzwanzig Stunden später landete Peter mit dem päpstlichen Hubschrauber auf dem Heliport des Vatikans. Peter trug statt der weißen Stationskleidung von Nakashima einen Anzug und hieß inzwischen Paul DeFries. Papst Petrus II. empfing ihn im Gärtnerhäuschen und umarmte Peter wie einen lange verschollenen Freund. Hinter ihm stand ein hagerer Mann in der Soutane eines Ehrenprälaten.
»Dem Herrn sei Dank, dass Sie leben, Peter!«
Peter befreite sich aus der Umarmung und musterte seinen alten Freund.
»Ich hatte das nie geplant«, erklärte Petrus II. entschuldigend. »Aber als das Kardinalskollegium mich dann fragte, war es auf einmal die logischste Sache der Welt. Ein Exorzist auf dem Stuhl Petri in Zeiten der Apokalypse.«
»Haben Sie sich deshalb den Namen Petrus gegeben?«
Petrus II. sah Peter eindringlich an. »Ich wusste, was ich tat. Was auch immer Nakashima Ihnen über mich erzählt hat, glauben Sie es nicht. Aber eins nach dem anderen. Darf ich Ihnen zunächst Monsignore Cardona vorstellen, meinen Privatsekretär.«
Der hagere Prälat reichte Peter steif die Hand und zeigte nicht den Anflug eines Lächelns.
»Monsignore Cardona ist ebenfalls ein erfahrener Exorzist«, fuhr der Papst fort und fügte stolz hinzu: »Meine Schule!«
»Warum haben Sie mir nie von ihm erzählt?« Peter musterte den Prälaten, der seinen Blick ruhig und kühl erwiderte.
»Es gibt noch vieles, was Sie nicht über mich wissen. Haben Sie Hunger?«
Im Wohnzimmer standen gekühlte Getränke und belegte Tramezzini bereit. Als sei diese Unterredung nichts weiter als ein zwangloser Businesslunch unter langjährigen Geschäftspartnern. Nachdem Peter sich gesetzt hatte, griff sich der Papst ein Tramezzino mit Mortadella und kam ohne Umschweife zur Sache.
»Kurz nach meiner Wahl nahm Nikolas mit mir Kontakt auf. Die Begegnung mit Ihnen, seinem Zwillingsbruder, hatte ihn tief erschüttert, und er war bereit, sich von Seth loszusagen. Wir haben gemeinsam überlegt, ob wir den Dämon, von dem Nikolas seit seinem fünften Lebensjahr besessen ist, exorzieren sollten, haben uns aber schweren Herzens dagegen entschieden. Im Sinne der Sache ist es hilfreich,
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