Collector’s Pack
würde, wenn er ihr die Blume überreichte. Vielleicht würde sie ihn nochmal küssen. Diese Vorstellung trieb ihn an.
Nach zwei Stunden konnte er das alte, verlassene Kloster über sich erkennen, das wie ein Vogelnest im Fels zu kleben schien. Lhakpa Gyaltsen vermied es, dem verfluchten Kloster zu nahe zu kommen, das inzwischen einer amerikanischen Minengesellschaft gehörte und über das man sich im Tal allerlei Schauergeschichten erzählte. Angeblich hausten dort oben immer noch die schrecklichen bTsan -Dämonen und hüteten ein bedeutendes altes Buch, das sie den Göttern am Anbeginn der Welt gestohlen hatten. Sie wurden angeführt von dem mächtigen Dämonenkönig dMu , der auf dem stierköpfigen Vogel Khyung ritt. Mythische Geschöpfe vorbuddhistischer Naturreligionen, wie ihm der Abt erklärt hatte, und der Abt hatte immer Recht. Lhakpa Gyaltsen glaubte nicht an Dämonen, aber sicher war sicher.
Als er die ersten Ausläufer der Hochwiese erreichte, wo das Edelweiß blühte, bemerkte Lhakpa Gyaltsen seitlich im grauen Fels etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte. Eine kleine Öffnung im Fels. Eine Höhle. Lhakpa Gyaltsen war bereits einige Male hier oben gewesen, aber diese Höhle hatte er noch nie bemerkt. Er überlegte einen Augenblick und entschied dann, einen Abstecher zu dieser Höhle zu machen.
Der Eingang der Höhle war zum größten Teil von einem Steinschlag verschüttet. Ang Lhakpa musste ziemlich schuften, bis er genug Steine beiseitegeräumt hatte, um in die Höhle hineinkriechen und sich orientieren zu können. Außer ein bisschen Ziegenkot sah er nicht viel, nur dass die Höhle sich offensichtlich noch tiefer in den Berg hineinzog. Ein schwacher Luftzug wehte ihm entgegen, und aus der lichtlosen Tiefe vernahm der junge Mönch etwas, das sich wie murmelnder Gesang anhörte. Neugierig geworden kroch der Junge noch ein Stück weiter, zwängte sich durch einen engen Felsspalt und bemerkte hinter einer Biegung ein schwaches Licht, das sich mit dem Luftzug und dem Gesang vermischte und ihn in gleichmäßigen Stößen umwehte. Wie der Atem von etwas Großem, das dort in der Tiefe schlief.
Lhakpa Gyaltsen dachte an das Edelweiß, an Dawa Zangmo und an den zu erwartenden Anschiss des Abtes. Er fürchtete sich plötzlich, und er hatte schließlich Wichtigeres zu erledigen, als sich eingezwängt in einer Höhle in die Hosen zu scheißen. Trotzdem kroch er weiter. Er wusste selbst nicht, warum, er kroch einfach weiter auf das schwache Licht und den Gesang in der Tiefe zu. Gebete murmelnd kroch er dem Atem entgegen. Das Herz schlug ihm fast zum Hals hinaus. Er kroch weiter, minutenlang, stundenlang. Er wusste es nicht. Die Zeit versickerte im Dämmerlicht der Höhle. Bis der Spalt sich weitete und er die Quelle des Lichts erreichte. Vor ihm lag ein niedriges Gewölbe, gerade so hoch, dass Lhakpa Gyaltsen darin aufrecht stehen konnte. Zwei weitere Gänge führten auf der gegenüberliegenden Seite von dem Gewölbe weg, weiter in den Fels hinein. Der Gesang war jetzt deutlich zu hören, zwar immer noch fern, aber er verdichtete sich. Kam näher.
Lhakpa Gyaltsen keuchte. In der Mitte des Gewölbes, das mitten im Berg liegen musste, erkannte er einen flachen Felsblock. Und darauf die Quelle des Lichts, das ihn angelockt hatte. Er sah zunächst nicht, um was es sich handelte. Es war groß, so groß wie ein Heuballen und von ähnlicher Struktur. Ein riesiges, leuchtendes, pulsierendes Knäuel aus verfilzten Fasern. Lhakpa Gyaltsen hatte nie etwas Derartiges gesehen. Eine Weile starrte er das seltsame Gebilde nur an, vor Angst und Neugierde unfähig, sich zu rühren. Schließlich erkannte er im Schein des pulsierenden Lichts weitere Einzelheiten des Gewölbes. Die Wände waren über und über mit rätselhaften Zeichen und Symbolen bedeckt. Dazwischen immer wieder die Abbildung eines Mischwesens, halb Mensch, halb Katze. Oder Löwe. Vor dem leuchtenden Ballen lag etwas, das aussah wie Münzen, ausgebreitet wie auf einem Hausaltar. Drei Münzen aus einem blauen Material. Weiterhin unablässig Gebete murmelnd und ohne sich wirklich darüber im Klaren zu sein, was er tat, trat er etwas näher und nahm die Münzen in die Hand. Sie lagen glatt und kühl auf seiner Handfläche. Auf einer Seite jeder Münze war etwas eingraviert. Eine Art Symbol. Lhakpa Gyaltsen merkte, dass die Angst langsam von ihm abfiel. Das machte ihm Mut.
Da er nun dem faserigen Gebilde so nah war, erkannte er aber auch, woher der Luftzug kam: aus
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