Collector’s Pack
dagegen figurbetonte geblümte Longjis trugen, die seitlich geknotet wurden. Viele Frauen trugen Tanaka auf den Wangen, einen Fleck aus weißem Puder, das die Haut gegen die Sonne schützte. Trotz ihrer offensichtlichen Armut wirkten die Menschen ausnehmend vornehm und heiter, selbst die buddhistischen Mönche, die sich mit ihren schwarz lackierten Opferschalen in kleinen Trupps von Haus zu Haus bewegten. Überhaupt schien die Bevölkerung zur Hälfte aus Mönchen zu bestehen. Peter wunderte sich darüber, dass die Autos in Birma das Steuer rechts hatten, obwohl Rechtsverkehr herrschte. Ansonsten gefiel ihm das Land auf den ersten Blick. Das Wetter hätte besser sein können. Es schüttete aus allen Himmeln, ein Regen, der das ehemalige Rangun schier ertränken wollte. Immerhin warm.
Schon von Weitem sah Peter die Pagode, vom Verkehr umtost mitten auf einer großen Straßenkreuzung. Über vierzig Meter erhob sich der vollständig vergoldete Stupa über die Stadt. Einer Legende zufolge war er über zweitausend Jahre alt und beherbergte als Reliquie zehn Haare des Buddha Gautama. Was Peter jedoch mehr beeindruckte als die Vorstellung seines vermeintlichen Alters war seine Form. Er war achteckig. Achteckig wie das Symbol auf dem Amulett der schwarzen Madonna. Achteckig wie die Struktur, die Ioona an seiner Hüfte entdeckt und in Verbindung zu der Karte auf seinem Rücken gesetzt hatte. Achteckig wie die Festungen und Kultstätten der Tempelritter. Ioona hatte daran keinen Zweifel gelassen, dass Sara-la-Kâli dort eine weitere Person von der Liste finden würde. Maggie Win.
Die Pagode war umbaut von einem scheußlichen modernen Ring aus kleinen Läden, in denen Astrologen auf Kundschaft warteten oder Blumen für die Opfer verkauft wurden. Am Westaufgang zog Peter vorschriftsmäßig seine Schuhe aus, zahlte den Eintritt und betrat barfuß das kleine Pagodengelände. Der Regen hatte schlagartig aufgehört, die Sonne hatte sich ein Loch in die Wolken gebrannt und gleißte blendend von dem vergoldeten Stupa zurück. Peter folgte dem Strom der Menschen, die den achteckigen Stupa locker plaudernd im Uhrzeigersinn umrundeten, und suchte nach Hinweisen. Er sah Menschen, die vor bunt beleuchteten Buddhafiguren beteten, Familien beim Picknick, junge Mönche in rostroten Roben, die zwischen den Schreinen und Spendenboxen flanierten. Die Luft war erfüllt vom Murmeln der Mönche, die Buddhatexte rezitierten, den Durchsagen der Pagodenverwaltung und dem Lachen der Kinder. Ein spiritueller und dennoch heiterer Ort, an dem man sich zwischendurch traf, um zu beten, um Händchen oder ein Schwätzchen zu halten. Peter suchte sich einen Platz am Rand und überlegte, wie er hier Maggie Win finden sollte. Er ignorierte den Mann im blauen Longji , der ihm schon die ganze Zeit folgte und der sich in Sichtweite niedergelassen hatte. Es war zu offensichtlich, dass er zum Staatssicherheitsdienst gehörte.
Ein ohrenbetäubender Lärm ganz in der Nähe schreckte ihn auf, eine Kakophonie aus Trommeln, Schellengebimmel und rauem krakeelendem Gesang. In einem der offenen Gebäude und um den Stupa wurde eine Art Zeremonie abgehalten. Als Peter neugierig näher trat, sah er dort eine Gruppe transsexueller Männer, grell geschminkt und in bunten Kostümen. Mit dem Ausdruck blasierter Würde tanzten sie vor einem blumengeschmückten Altar, stampften mit den Füßen auf, verdrehten die Finger und wiegten sich in den Hüften. Zwischendurch nahmen sie tüchtige Schlucke aus einer Schnapsflasche. Peter hatte von solchen Nat -Zeremonien gehört, Beschwörungen lokaler Schutzgeister, die von den buddhistischen Mönchen nachsichtig geduldet wurden. Die Tänzer beteten eine bemalte Gipsfigur an, halb Frau, halb Kuh, und wurden dabei von einer fünfköpfigen Kapelle begleitet, die diesen Krach erzeugte. Die angebetete Figur trug ein weißes Kleid und eine Kette aus kleinen Totenschädeln aus Plastik.
Und sie war schwarz.
Sara-la-Kâli!
Peter wusste von Ioona, dass die Schwarze Sara der Roma auf die indische Göttin Kâli zurückging, die Zerstörung und Fruchtbarkeit symbolisierte. Er hätte jedoch nie erwartet, ihr an einem buddhistischen Heiligtum zu begegnen.
Gespannt und zunehmend amüsiert verfolgte Peter die Zeremonie. Immer wieder wurden den Tänzern Geldscheine an die Kostüme geheftet und Opfergaben gereicht. Gebratene Hühnchen, Blumen, Schnaps, Seife, Betel, Zigaretten. Die Tänzer tranken und rauchten und ließen sich bei ausreichender Bezahlung
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