Collins, Suzanne
bereit, bis auf Peeta, der anscheinend nicht so
richtig weiß, worum es geht. Ich werde nicht genommen. Sie schicken mich zu
Messalla, der mich für eventuelle Großeinstellungen schminkt.
Die Gruppe stellt sich nach Boggs' Anweisungen auf, und
dann müssen wir darauf warten, dass Cressida den Kameramännern sagt, wo sie
stehen sollen. Sie sind beide links von uns, Castor weit vorn und Pollux ganz
hinten, damit sie sich nicht gegenseitig filmen. Messalla zündet für die
Atmosphäre ein paar Rauchgranaten. Da es sich hier sowohl um einen Einsatz als
auch um einen Dreh handelt, will ich schon fragen, wer das Kommando hat, der
Kommandant oder die Regisseurin, aber da ruft Cressida: »Action!«
Langsam gehen wir durch die diesige Straße, genau wie bei
einer Übung im Block. Jeder muss mindestens eine Reihe Fensterscheiben
wegpusten, aber das eigentliche Ziel ist Gale zugeteilt worden. Er schießt die
Kapsel ab, und wir gehen in Deckung - ducken uns in Eingänge, legen uns flach
auf die hübschen Pflastersteine in Hellorange und Rosa -, während ein
Kugelhagel über unsere Köpfe fliegt. Nach einer Weile befiehlt uns Boggs
weiterzugehen.
Cressida hält uns zurück, weil sie ein paar Großaufnahmen
braucht. Abwechselnd spielen wir unsere Reaktion noch einmal nach. Wir lassen
uns fallen, verziehen das Gesicht, springen in eine Nische. Wir wissen, dass es
eine ernste Angelegenheit ist, aber es kommt uns ein bisschen albern vor. Vor
allem, als sich herausstellt, dass ich gar nicht die schlechteste
Schauspielerin in unserer Gruppe bin. Bei Weitem nicht. Wir lachen so sehr über
Mitchells Versuch, den Verzweifelten zu mimen, inklusive Zähneknirschen und
geblähten Nüstern, dass Boggs uns zurechtweisen muss.
»Vier-fünf-eins, zusammenreißen!«, sagt er streng. Aber er
muss ein Grinsen unterdrücken, während er die nächste Kapsel noch einmal
gegencheckt. Das Holo so hält, dass er in der rauchgeschwängerten Luft etwas
erkennen kann. Den Blick immer noch uns zuwendet, während er den linken Fuß
auf den orangefarbenen Pflasterstein setzt. Und die Mine auslöst, die ihm die
Beine wegsprengt.
20
Es ist, als würde in einem einzigen Augenblick ein
bemaltes Fenster zersplittern und den Blick auf die hässliche Welt dahinter
freigeben. Lachen wird zu Schreien, Blut befleckt die pastellfarbenen Steine,
echter Rauch verdunkelt den künstlichen.
Eine zweite Explosion scheint die Luft zu zerreißen, mir
klingeln die Ohren. Aber ich weiß nicht, aus welcher Richtung sie gekommen
ist.
Ich bin als Erste bei Boggs, versuche aus dem zerfetzten
Fleisch, den fehlenden Gliedmaßen schlau zu werden, suche nach etwas, womit ich
das Blut stoppen kann, das aus seinem Körper schießt. Homes schiebt mich
beiseite und öffnet hektisch ein Erste-Hilfe-Set. Boggs umklammert mein Handgelenk.
Sein Gesicht, grau vom Sterben und von der Asche, scheint zu verschwimmen. Doch
die Worte, die er sagt, sind ein Befehl. »Das Holo.«
Das Holo. Ich taste um mich herum, wühle in zerborstenen,
blutbefleckten Pflastersteinen, schaudere, als ich warme Fleischfetzen
berühre. Dann habe ich es, zusammen mit Boggs' Stiefeln hat es sich in einem
Treppenschacht verklemmt. Ich nehme es an mich, wische es mit bloßen Händen
trocken und reiche es meinem Kommandeur.
Homes hat den Stumpf von Boggs' linkem Oberschenkel mit
einer Staubinde umschlossen, aber sie ist schon völlig durchweicht. Jetzt
versucht er, eine weitere Staubinde über dem rechten Knie anzulegen. Der Rest
der Gruppe hat sich in einer schützenden Formation um uns und das Team herum aufgestellt.
Finnick versucht, Messalla wiederzubeleben, der durch die Explosion gegen eine
Wand geschleudert worden ist. Jackson blafft in ein Funksprechgerät und
versucht, das Lager zu erreichen, damit sie Sanitäter schicken, doch ich sehe,
dass es zu spät ist. Als Kind habe ich meiner Mutter oft bei der Arbeit
zugeschaut, und ich weiß: Wenn eine bestimmte Menge Blut geflossen ist, gibt es
keine Rettung mehr.
Ich knie mich neben Boggs und bin darauf eingestellt, dieselbe
Rolle zu spielen wie bei Rue und der Morfixerin aus Distrikt 6, ich will ihm
Halt geben, während er aus dem Leben geht. Aber Boggs macht sich mit beiden
Händen an dem Holo zu schaffen. Er tippt einen Befehl ein, presst den Daumen
auf den Bildschirm, um sich zu identifizieren, spricht eine Folge von
Buchstaben und Zahlen als Antwort auf eine Eingabeaufforderung. Ein grüner
Lichtstrahl kommt aus dem Holo und beleuchtet sein Gesicht.
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