Colombian Powder
besten beibringen sollte. »Ich weiß deinen Einsatz wirklich zu schätzen«. Sie hob abwehrend die Hand, als Beate etwas darauf erwidern wollte. »Bisher habe ich in meinem Leben noch nie etwas Verbotenes getan. Und plötzlich sitze ich einem waschechten Drogenboss gegenüber, für den ich Kokainschmuggel im ganz großen Stil betreiben soll?«
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Hast du schon daran gedacht, was du dir mit dem Geld alles leisten könntest? Das ist dein Ticket in ein völlig neues Leben!«, spielte Beate ihr bestes Argument erneut aus.
Nina biss sich reflexartig auf die Unterlippe. Natürlich hatte Beate recht. Was für großartige Möglichkeiten würden sich ihr dadurch eröffnen! Noch nie hatte sie soviel Geld besessen. Und nach allem, was ihr widerfahren war, hatte sie einen großen Aufholbedarf im Glücklichsein.
»Wer weiß, wann Ramon wieder einmal so spendabel ist!? Außerdem …«, fuhr Beate fort und zeichnete mit dem Finger gedankenvoll die Mahagonischnitzerei der Sofalehne nach, »hast du noch viele Alternativen?« Sie schenkte Nina einen Blick unter gesenkten Wimpern.
»Ich stelle mir gerade das Gesicht deines Vaters vor, wenn du plötzlich wieder vor der Tür stehst. Und weißt du, was ich darin sehe?« Beates Augen wurden schmal. »Triumph. Nichts als Triumph.«
»Hör auf!«, zischte Nina. Wut wallte in ihr auf. Beate wusste doch, welchen wunden Punkt sie damit in ihr traf. »Ich werde nie wieder nach Hause zurückgehen, und du weißt warum!«
Wie elektrisiert sprang sie auf und drehte Beate den Rücken zu. Ihre ausdruckslose Miene, die sie immer dann aufsetzte, wenn es um ihre Vergangenheit ging, drohte ihr nach Beates unerwarteter Offensive abhandenzukommen. Zwar hatte ihr die Freundin die Gleichgültigkeit, mit der sie über ihre Heimat sprach, von Anfang an nicht abgenommen, aber Nina wollte um jeden Preis das wahre Ausmaß ihres Kummers verbergen. »Ich werde in Berlin bleiben. Koste es, was es wolle!« Die Worte kamen aus purem Trotz über ihre Lippen, und zu spät merkte Nina, was sie bedeuteten.
Das kleinste Haar wirft seinen Schatten
»Winter!«, mit diesem Wort riss Kriminalhauptkommissar Johann Kümmler die Tür zu seinem Büro im Landeskriminalamt Berlin auf und trat eilends ein. Er meinte nicht die Jahreszeit, sondern den Mann, der am Fenster stand und auf ihn wartete.
»Ich erkläre die Versammlung der Maulwürfe für eröffnet.« Kümmler bat einen weiteren Mitarbeiter herein und schloss die Tür. Der Mann am Fenster verdrehte hinter Kümmlers Rücken die Augen. Er verabscheute es, wenn sein Vorgesetzter die Drogenfahnder Maulwürfe nannte, noch mehr als die Angewohnheit, seine Mitarbeiter ausschließlich mit dem Nachnamen anzusprechen. Während der Hauptkommissar sich in seinen wuchtigen Ledersessel fallen ließ, begrüßten sich die beiden Kollegen per Handschlag und nahmen auf den Besucherstühlen Platz. Kümmler schlug den Deckel der Akte auf, die er unter dem Arm getragen hatte. Manche behaupteten, dass Kümmler so an seinen Akten hing wie andere Leute an ihrem Hund.
»Wie Sie wissen, wurden am Montag schwerpunktmäßig die Neuköllner Szenelokale durchsucht«, wandte er sich an Kommissar Winter.
Dieser nickte. Der Endbericht lag immer noch ungelesen auf seinem Schreibtisch, was er dem Kollegen neben sich, dem Leiter der betreffenden Sonderkommission, jedoch nicht auf die Nase binden wollte.
»Dabei haben wir einen interessanten Tipp bekommen. Steffens, Sie sind dran.”
Kommissar Steffens rückte seinen Sessel zurecht und räusperte sich. »Uns sind ein paar Kleindealer ins Netz gegangen, und einer der Typen hatte etwas zu erzählen. Eine Bekannte von ihm plant einen Karibikurlaub, aus dem sie ein paar wertvolle Souvenirs mitbringen will.« Steffens schwieg bedeutungsvoll, und Kommissar Winter war klar, worauf sein Kollege anspielte. Er verbiss sich eine vorschnelle Antwort. In letzter Zeit neigte er zu übereilten Äußerungen, was im krassen Gegensatz zu seinem sonst eher besonnenen Wesen stand. In seiner Laufbahn als Drogenfahnder hatte er schon zu oft erlebt, wie festgenagelte Kleinganoven ihnen die abenteuerlichsten Geschichten auftischten, in der falschen Hoffnung auf eine Strafvergünstigung.
»Die Dame heißt Beate Schubert, ist 24 Jahre alt, beschäftigt bei einer PR-Agentur und wohnhaft in Berlin Mitte. Bisher nicht vorbestraft, auch sonst nicht in Erscheinung getreten.« Steffens war sichtlich stolz auf seine Leistung und setzte eine
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