Colombian Powder
widerlich selbstgefällige Miene auf.
Eine steile Falte entstand zwischen Winters Augenbrauen. Er konnte es nicht leiden, wenn sich sein Kollege so aufspielte. Dabei erinnerte er sich noch genau daran, wie sie vor mehr als zehn Jahren als Freunde den Dienst bei der Kripo begonnen hatten. Inzwischen hatten sie beide Karriere gemacht, aber Steffens hatte ein Problem damit, dass Winter es bis ganz nach oben, zum stellvertretenden Leiter des Drogendezernats, geschafft hatte.
»Wie hat dieser Kerl denn von der Aktion erfahren?«, fragte Winter nach. Er gab sich keine Mühe, seine Skepsis zu verbergen.
»Er will die Schubert in ihrer Stammkneipe belauscht haben. Ich habe mich überwunden und diesem »Montana« einen Besuch abgestattet. Mann kann dort tatsächlich ohne lange zu fragen erfahren, wann einer auf dem Klo war oder wie die Erbtante des anderen heißt. Eine Art Familienbetrieb.«
»Ich glaube viel mehr, dass sie ihm direkt davon erzählt hat«, brachte sich Kümmler wieder ins Gespräch. »Egal, er beschwört jedenfalls, dass sie schon länger als Auftragskurierin arbeitet, und zwar für den Kneipenwirt. Das ist ohnehin ein offenes Geheimnis. Zehnmal Amsterdam und zurück, wenn Sie verstehen.«
Das ließ Winter aufhorchen. »Wenn an der Sache was dran ist, dürfte es ein dicker Fisch sein, der da im Hintergrund die Fäden zieht.«
»In der Tat, und erst das macht das Ganze interessant. Es wäre der Treffer ins Schwarze, wenn wir einen der Bosse hier aushebeln könnten.« Schwungvoll griff der Hauptkommissar zu seiner Tasse und hinterließ einen kleinen Kaffeefleck auf der Schreibtischplatte. Winter wollte etwas erwidern, doch sein Vorgesetzter kam ihm zuvor. »Ich habe bereits um eine Genehmigung zur telefonischen Überwachung dieser Dame angesucht.«
Nina hatte mit Ramon vereinbart, sich bis Ende der Woche zu entscheiden, ob sie die Reise antreten würde. Jeden Abend vor dem Einschlafen horchte sie in sich hinein. Konnte sie sich damit abfinden, einem fremden, ahnungslosen Menschen einen Koffer voller Drogen unterzuschieben?
Während der Woche traf sie sich mehrmals mit Beate, und Nina erfuhr alle Einzelheiten von deren bisherigen Schmuggeltrips nach Holland. Noch nie war irgendetwas dabei schiefgegangen. Beate sah der Kreuzfahrt demnach äußerst gelassen entgegen. Laut ihrer Information lag das Risiko, bei der Einfuhr von Drogen tatsächlich erwischt zu werden, unter zehn Prozent. Lächerlich gering – faktisch nicht vorhanden, wie ihr Beate versicherte. Sie erklärte Nina auch, wie die Zollbeamten an den deutschen Flughäfen vorgingen. Die Koffer der ankommenden Passagiere wurden zwar samt und sonders durchleuchtet, die Schmuggelmethoden der Drogenbanden waren jedoch alles andere als dilettantisch. Den Zollbeamten war diese Tatsache natürlich bewusst. Bei Flügen aus Ländern mit bekanntem Drogenexport wurden immer mehr Stichproben aus dem Reisegepäck gezogen und von Drogenspürhunden durchsucht.
Dennoch schienen all diese Methoden gegen den internationalen Drogenhandel in etwa so wirkungsvoll zu sein wie Brennnesseltee gegen die Beulenpest.
Lag es an Beates verheißungsvollen Monologen, oder an Ninas Sehnsucht nach einem komfortableren Leben ohne über den Umweg der Maloche? Wie auch immer, am Sonntagabend brannte jede Faser in Nina darauf, den Auftrag anzunehmen. Der Gedanke an die großartige, leicht verdiente Menge Geld ließ sie ohne Zögern zum Telefon greifen, um Ramon endgültig ihr Einverständnis mitzuteilen.
Beate langweilte sich zu Tode. Ramon hatte ihr eine ausgiebige Shoppingtour versprochen, und darunter verstand sie etwas anderes, als auf einem Flohmarkt in Kreuzberg herumzustöbern. Als Ramon auch noch eine Single der Gebrüder Blattschuss kaufte, war für sie das Maß voll. Aufzumucken wagte sie allerdings auch nicht. Ramon neigte zum Jähzorn, wenn man sich seinen Wünschen nicht auf der Stelle fügte.
»Jetzt noch ein Bürofachgeschäft, dann haben wir alles«, meinte er hintergründig. Endlich lenkte er den Porsche in Richtung von Beates Wohnung. Dort angekommen nahm er die zwei Pässe aus dem Backrohr, das er Stunden zuvor auf 60 Grad eingestellt hatte. Beate staunte, als er die Folie über der Seite, auf der das Foto angebracht war, wie ein Blatt loses Papier abhob – silbernes Rundsiegel und Sicherheitsmerkmale inklusive.
Es waren österreichische Pässe. Die Fotos, die darin fixiert waren, zeigten zwei unscheinbare junge Frauen, die weder mit Beate noch mit Nina auch
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