Colombian Powder
am Boden saß.
»Tienes dinero para mi?«
Nina gab ihm die paar Lempira, die Beate auf dem Schiff gewechselt hatte. Dabei fielen ihr die erbarmungswürdigen Füße des Bettlers auf. Er trug keine Schuhe, und seine Haut war mit Wunden und Schorf übersät. Marco bemerkte den Zustand des Mannes ebenfalls. Er bückte sich, zog kurzerhand seine eigenen Sandalen aus und drückte sie dem Bettler in die Hand.
»Und wie kommst du jetzt zum Schiff zurück?«, fragte Nina töricht.
»Ich fordere einen Helikopter an«, antwortete Marco gleichmütig und machte sich wieder auf den Weg. Der Bettler zu ihren Füßen probierte bereits freudestrahlend die Sandalen an.
»An deiner Stelle würde ich weitergehen. Sonst bist du dein Geld bald doch noch los«, rief er ihr über die Schulter zu.
Nina sah ihm einen Moment lang sprachlos nach, bevor sie sich besann und zu ihm aufschloss. Ein eigenwilliges Flattern machte sich in ihrer Magengrube breit, das sie mit aller Kraft zu ignorieren versuchte.
Unbehelligt erreichten die beiden das Hafengelände. Nina unterdrückte den Impuls, sich wie der Papst auf den Boden zu knien, als sie endlich das Portal der Diamond Dolphin durchschritten. Sie durfte gar nicht daran denken, was dieser Typ noch mit ihr angestellt hätte, wäre Marco ihr nicht zu Hilfe gekommen. Schon wieder. In den vier Tagen, die sie sich kannten, hatte er ihr bereits zweimal aus der Patsche helfen müssen. Ein tiefes Schamgefühl machte sich in ihr breit. Er musste sie für vollkommen dämlich halten. Verlegen wandte sie den Blick ab, als sie sich im Aufzug gegenüberstanden.
»Lass mal den Schnitt sehen«, sagte Marco. Er umfasste mit seinen Fingern ihr Kinn und drückte ihren Kopf sanft in den Nacken. Vorsichtig strich er mit der anderen Hand über ihren Hals, dort, wo die Verletzung war. Seine Berührung war für Nina wie ein elektrischer Impuls, der ihren Herzschlag augenblicklich beschleunigte. Automatisch hielt sie den Atem an.
»Die Wunde muss auf jeden Fall desinfiziert werden«, entschied Marco und ließ sie wieder los. »Komm mit. An der Bar haben sie etwas Hochprozentiges.«
Der Kellner stellte schwungvoll zwei Cocktails und ein kleines Schnapsglas vor ihnen auf den Tresen. Marco nahm eine Serviette und tropfte ein wenig klaren Wodka darauf.
»Das wird ein bisschen brennen. Ich hoffe, du bist ein tapferes Mädchen?« Vorsichtig betupfte er damit die Verletzung. Tatsächlich brannte es scheußlich, aber Marcos Nähe hätte sie noch viel mehr ertragen lassen. Er stand ihr so dicht gegenüber, dass sie seinen herben Duft riechen konnte, der sie an Nelken erinnerte. Sogar nach einem anstrengenden Tag in der Hitze verströmte er einen verlockenden Geruch.
»Also?« Marco setzte sein Glas nach einem langen Schluck ab und sah sie abwartend an.
Sein Blick prickelte auf Ninas Haut.
»Was?«
»Willst du mir nicht endlich verraten, was dich ganz alleine nach Puerto Cortes getrieben hat?«
Mist. Sie hätte sich am liebsten auf die Lippen gebissen. In der ganzen Aufregung hatte sie sich keine Antwort auf diese Frage zurechtgelegt. Die Geschichte mit dem Internet-Café würde er ihr mit Sicherheit nicht abnehmen, weil es an Bord ja genügend Anschlüsse gab. Je länger sie zögerte, desto finsterer wurde seine Miene. Sie brauchte schnell eine Ausrede, bevor er die falschen Schlüsse zog. Da fiel ihr der Zettel ein, der immer noch in ihrer Hosentasche steckte.
»Ich wollte den großen Kleidermarkt besuchen, der heute dort stattfindet.«
Zur Bestätigung hielt sie ihm das giftgrüne, zerknitterte Stück Papier hin.
»Ein Kleidermarkt«, wiederholte Marco. Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig. »Es darf nicht wahr sein!«
»Genau.« Schnell widmete sie sich wieder ihrem Drink. Er machte sich über sie lustig! Dabei war es doch nicht ungewöhnlich, wenn man sich im Urlaub mit ein paar Textilien ausstatten wollte.
»Traditionelle Bekleidung aus Süd- und Mittelamerika«, las Marco laut vor. »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich glatt mitgekommen. So ein Indio-Poncho würde mir bestimmt gut stehen.«
Obwohl der Sarkasmus in seiner Stimme unüberhörbar war, empfand es Nina alles andere als unangenehm, als er sie lange nachdenklich ansah. »Ich glaube, ich muss ein bisschen auf dich aufpassen, damit du Miami wieder ohne gröbere Verluste erreichst.«
Nina lächelte schief und versuchte zu überspielen, wie heiß ihr unter seinem intensiven Blick geworden war. Dann wurde ihre Miene jedoch wieder ernst.
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