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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone A. Siegler
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Laternen, die in regelmäßigen Abständen an der Reling leuchteten.
    Nina lächelte geheimnisvoll. »Ich halte es so wie William Shakespeare: Die Geheimnisse einer Frau sind so tief wie der Ozean.« So ähnlich lautete jedenfalls das Zitat, das Nina kürzlich in der Cosmopolitan gelesen hatte.
    Marco zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Kommt dieser Satz nicht auch im Film Titanic vor? Das Herz einer Frau ist so tief wie der Ozean.«
    Mist, dachte Nina, er hatte recht. Sie sollte besser nicht versuchen, sich allzu poetisch zu geben.
    »Wie auch immer, der Ozean ist hier sicher ziemlich tief«, wechselte sie rasch das Thema und beugte sich über die Reling. Das Wasser weit unten sah aus wie schwarze Tinte.
    Marco lehnte sich neben sie, und schweigend beobachteten sie, wie der Dampfer gemächlich durch das nächtliche Meer glitt.
    »Hörst du das auch?« fragte Marco nach einer Weile.
    »Was meinst du?« Nina spitze die Ohren, aber außer dem Rauschen der Wellen und der weit entfernten Geräuschkulisse auf der Showbühne fiel ihr nichts auf.
    »Die Stille. Wann hast du das letzte Mal bewusst einen stillen Moment genossen?«
    Nina seufzte innerlich. Das war schon lange her. Seit sie in Berlin ein neues Leben begonnen hatte jedenfalls nicht mehr. Zu sehr war sie damit beschäftigt gewesen, sich finanziell über Wasser zu halten und ihre Situation schrittweise zu verbessern. Aber das konnte sie Marco klarerweise nicht erzählen.
    »Viel zu lange nicht«, antwortete sie stattdessen. »Du wohl auch nicht, oder?«
    Er schüttelte stumm den Kopf. Nina sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Ihr Blick wanderte zu seinen Händen, die locker auf dem Geländer lagen. Seine Finger waren lang und schmal, die Nägel helle, gepflegte Rechtecke. Sie musste sich bremsen, um nicht nach ihnen zu greifen.
    »Keine Zeit dazu?«, riet sie.
    »Nicht nur deswegen. Obwohl meine Tage wirklich oft auf die Minute verplant sind.«
    Nina interessierte es brennend, was er von Beruf war, aber sie wollte die Frage nicht laut stellen.
    »Du hast wahrscheinlich einen anstrengenden Beruf?«, versuchte sie es auf andere Weise.
    Marco zuckte mit den Schultern. »Kommt darauf an. Mir wird nur wieder einmal bewusst, wie selten wir uns auf die kleinen Dinge im Leben konzentrieren.«
    Langsam setzten sie sich wieder in Bewegung.
    Als sie sich allmählich wieder dem Trubel näherten, wurden Ninas Schritte immer langsamer. Nach dem beschaulichen Spaziergang verspürte sie überhaupt keine Lust, sich wieder in die Menge zu stürzen.
    »Möchtest du nicht zurückgehen?«
    Marco hatte ihr Schneckentempo bemerkt und blieb stehen.
    »Eigentlich nicht«, gab Nina zu.
    »Deine Freundin wird auf dich warten.«
    »Bestimmt nicht. Die ist in bester Gesellschaft.«
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Darf ich dich dann noch auf einen Drink einladen?«

    In luftiger Höhe klebte einem Vogelnest gleich die Sky-Bar an einem der mächtigen Kamine. Auf der Holzterrasse, die von zwei Fackeln erhellt wurde, standen Tischchen mit gemütlichen Sesseln, und im Hintergrund spielte leise Pianomusik. Hier oben war die Brise kräftig, und Nina bekam unwillkürlich eine Gänsehaut. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob es tatsächlich nur am Wind lag.
    »Ist dir kalt?« Marco schien die kleinste Veränderung an ihr zu bemerken.
    Einen süßen Moment lang dachte Nina, dass er sie in seine Arme ziehen würde. Stattdessen schlüpfte er aus seiner Weste und legte sie Nina um die Schultern.
    Sie bestellten beide den Cocktail des Tages. Das milchig-orange Getränk erinnerte Nina an den Sangria, den es im sommerlichen Berlin an ihrer Lieblingsstrandbar an der Spree gab.
    »Warst du schon einmal in Berlin?«, fragte sie. Es reizte sie ganz einfach, mehr über diesen Mann und sein Leben zu erfahren.
    »Nicht nur einmal. Ich habe öfters dort zu tun.«
    Sie war versucht, ihn nach dem Grund zu fragen, hielt sich aber im letzten Moment zurück. Wenn er es ihr nicht selbst erzählte, wollte sie nicht nachbohren.
    »Ich wohne in Berlin«, sagte sie gerade heraus, als er nicht weiter nachhakte. Wenigstens musste sie Marco nicht über ihren Wohnort belügen. Beate hatte bei Ramon zwar Bedenken darüber angemeldet, ob sie sich bei ihren Schiffsbekanntschaften tatsächlich als Berlinerinnen outen sollten. Doch der war der Meinung, dass sie in der Höhle des Löwen am wenigsten vermutet wurden, sollte wider Erwarten etwas schief gehen. Die einzige Bedingung nach ihrer Rückkehr war eine

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