Colombian Powder
herrlich gewesen, hätte Nina sich nur besser entspannen können. Nun, da die Dinge ernst wurden, gerieten ihre Nerven ins Flattern. Sie konnte förmlich die Schwingung des weißen Pulvers spüren, das sich gut versteckt im Nebenraum befand.
Wer hatte das Rauschgift dort eingeschlossen? Etwa einer der Angestellten? Nina schauderte bei dem Gedanken, dass die freundliche Stella womöglich ganz genau wusste, zu welchem Zweck sie hier waren. Nun mischte sich wieder die Sorge hinzu, ob sie mit ihrer brisanten Fracht heil durch den Zoll und an Bord des Schiffes kommen würden. Nina dachte an das Gespräch mit Ramon, in dem er ihnen in allen Einzelheiten die Ausführung des Plans erklärt hatte. Er hielt es für ausgesprochen wichtig, dass sie mit dem Kokain in der Menge vieler Passagiere zum Hafen zurückkehrten. Das Gedränge am Zoll sollte möglichst groß sein.
Nach einer knappen Stunde klatschte die Masseurin zweimal in die Hände und zeigte damit das Ende der Behandlung an. Etwas benommen erhob sich Nina und trat im Bademantel wieder auf den Gang hinaus. Im selben Moment kam Beate aus der gegenüberliegenden Tür. Stella, die wieder am Empfang saß, nickte ihnen freundlich zu und beugte sich wieder über ihre Unterlagen.
Beate schloss die Tür der Umkleidekabine hinter sich.
»Bleib hier stehen und pass auf, dass niemand hereinkommt«, wies sie Nina an. Rasch suchte sie wieder den betreffenden Spind und tippte eine Kombination in das elektronische Zahlenschloss ein. Mit einem Klicken sprang der Riegel auf. Im Inneren des Spindes lag ein schlichter, dunkelgrüner Nylonbeutel. Beate hob ihn heraus, kontrollierte den Inhalt und ließ ihn dann vorsichtig in ihre eigene Tasche gleiten. Sie zog den Reißverschluss zu und drehte sich grinsend zu Nina um.
»Fertig!«
Kommissar Winter hatte sich in einem Straßencafé niedergelassen, während sein Kollege es vorzog, auf der Promenade auf und ab zu flanieren. Offenbar scheute er sich davor, seine Dienstzeit in einem Lokal zu verbringen. Winter hatte bereits die dritte Tasse Cappuccino vor sich stehen. Seine Beine lagen entspannt auf einem anderen Sessel, vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet die FAZ.
Er war sich ziemlich sicher, auf welchem Weg die Übergabe der Drogen erfolgen würde. Eigentlich hatte er mit keiner anderen Variante gerechnet. Den Clans der Suchtgift-Mafia war daran gelegen, bei ihren Deals so wenige Personen wie möglich ins Spiel zu bringen. Winter studierte erneut die Getränkekarte, als er die beiden Frauen aus dem Hoteleingang kommen sah. Eilig setzte er sich seine Sonnenbrille auf und zog die Schildkappe in die Stirn, um nicht erkannt zu werden. Doch weder Beate noch Nina warfen einen Blick in seine Richtung. Stattdessen überquerten sie hastig die Promenadenstraße und verschwanden über eine Treppe zum Strand hinunter, gefolgt von dem einheimischen Kriminalbeamten.
Winter hatte es nicht eilig. In aller Ruhe trank er seine Tasse aus und zählte einige Münzen auf den Tisch. Ärgerlich stellte er fest, dass er Lust auf eine Zigarette hatte, obwohl er dem Rauchen schon längere Zeit abgeschworen hatte. Vielleicht war es die Vorfreude auf das Gespräch mit Kümmler, dem er von der gelungenen Observation berichten konnte, die ihm Lust auf Nikotin machte. Der Kolumbianer tauchte wieder auf der Promenade auf und signalisierte Winter mit dem Daumen nach oben, dass ihr Einsatz offenbar erfolgreich gewesen war. Kurz darauf kamen auch Beate und Nina die Treppe zum Strand herauf und winkten sich ein Taxi heran, das sie zurück zur Altstadt brachte.
Zum vereinbarten Zeitpunkt versammelten sich die Teilnehmer der Stadtrundfahrt wieder vor der Kathedrale. Der Himmel hatte sich bewölkt und es war windig geworden. Da fiel es nicht weiter auf, dass Beate und Nina locker sitzende Sommer-Anoraks trugen, die sie extra für diesen Tag in Berlin gekauft hatten.
Als die Ausflugsbusse nacheinander am Hafenareal eintrudelten, öffnete der Himmel seine Schleusen, und eine Sturmflut ergoss sich, wie es nur in den Tropen geschehen konnte. Die Ankömmlinge drängten so rasch wie möglich unter das schützende Dach des Hafengebäudes. Im Laufe des Tages hatte neben der Diamond Dolphin noch ein zweites Kreuzfahrtschiff angelegt, und dementsprechend war der Menschenauflauf.
Vor der Passkontrolle hatte sich eine ellenlange Schlange gebildet, als Beate und Nina sich einreihten.
»Mist«, schimpfte Nina leise und zog verzweifelt an ihrem Anorak herum. Durch die Nässe klebte
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