Colombian Powder
letzten Tagen ausgesetzt hatte. Dabei stand es außer Frage, wie sie handeln musste – weil sie nicht anders konnte.
Langsam fuhren ihre Finger an dem glatten Metall der Reling entlang. Die Berührung hatte etwas Tröstliches, dennoch liefen ihr die Tränen über die Wangen. Dann machte sie sich mit schweren Beinen auf den Weg zu den Internet-Terminals, um Ramon die Bestätigung zu schicken, dass ihr Auftrag beinahe vollendet war.
Das leise Knarren des Bettes ließ Nina aus einem unruhigen Halbschlaf aufschrecken.
Durch das Bullauge sickerte das erste Morgenlicht, und sie konnte deutlich Marcos Silhouette erkennen. Es saß am Bettrand und hatte den Kopf in die Hände gestützt.
»Marco?«, murmelte sie bemüht schlaftrunken. »Was ist los?«
Beim Klang ihrer Stimme zuckte er zusammen. »Ich konnte nicht schlafen.«
Er legte sich wieder neben sie und bettete ihren Kopf auf seine Schulter.
»Warum?«, flüsterte Nina.
Doch er ließ sich Zeit mit der Antwort, und so dicht an ihn geschmiegt, eingehüllt in seine Wärme, schlummerte Nina endlich tief ein.
Das Rauschen der Dusche weckte sie erneut. Inzwischen war die Sonne aufgegangen. Enttäuscht berührte Nina das kalte Bettlaken neben sich. Gelang es ihr denn niemals, in seinen Armen aufzuwachen? Wenigstens hatte er sich diesmal nicht klammheimlich aus dem Staub gemacht.
Die Badezimmertür war nur angelehnt, und sie stellte sich vor, wie das Duschgel auf Marcos vollkommenem Körper schäumte, sich zwischen den Brustmuskeln sammelte und seine Spur in tiefere Regionen zog, bei deren Vorstellung sie genießerisch die Augen schloss. Sofort spielte sie mit dem Gedanken, aufzustehen und Marco unter dem Wasserstrahl Gesellschaft zu leisten. Ihr Verlangen nach ihm wuchs mit jedem Mal, dass sie miteinander schliefen, anstatt gestillt zu werden. Und sie hatten nur noch einen Tag und eine Nacht zusammen.
Morgen. Der Gedanke schoss so jäh durch ihren Kopf, dass sie ihn nicht rechtzeitig bannen konnte, und bohrte sich wie ein spitzer Pfeil in ihre Eingeweide. In diesem Moment verstummte das Wasserrauschen, und Augenblicke später tauchte Marco im Türrahmen auf. Um die Hüften hatte er nachlässig ein Handtuch geschlungen, und das Wasser perlte von seiner gebräunten Haut.
»Nina, du bist ja ganz blass! Hast du einen Klabautermann gesehen?« Mit einem Schritt war er bei ihr, und sein Lächeln verschwand. »Geht es dir nicht gut?«
Nina kämpfte um ihre Fassung. Sie hasste sich einmal mehr dafür, dass sie bestimmte Gefühlsregungen so schlecht verbergen konnte. »Mir ist schlecht. Ich glaube, ich bin seekrank.«
Marco machte ein zweifelndes Gesicht. »Seekrank? Das Schiff macht doch völlig ruhige Fahrt. Außerdem wird man zu Beginn einer Seereise krank und nicht am Ende.«
»Nun … vielleicht schwanger?« Sie versuchte ein verschmitztes Lächeln.
Er erwiderte es und hob seelenruhig die leere Verpackung eines Kondoms neben dem Bett auf. »Auch das nicht, mein Schatz.«
Zärtlich strich er ihr eine Locke aus der Stirn. »Du musst etwas essen. Was hältst du von einem Frühstück im Bett?«
Nina schüttelte den Kopf, obwohl sich die Vorstellung herrlich dekadent anfühlte. Beim Gedanken an Essen wurde es ihr erst recht übel.
»Ich muss ständig an morgen denken«, gestand sie.
»Tja«, sagte er nach einer ganzen Weile. Sein Gesicht blieb dabei unbewegt. »Morgen ist es vorbei.« Er schielte auf den Wecker auf dem Nachttisch. »Darum sollten wir den heutigen Tag nutzen, es ist nämlich nicht mehr allzu viel davon übrig.«
Erschrocken sah Nina, dass es schon früher Nachmittag war. Der Schlafmangel der letzten Nächte hatte seinen Tribut gefordert. Eilig schwang sie die Beine aus dem Bett und verschwand im Badezimmer.
Erleichtert stellte sie fest, dass Marco noch immer da war, nachdem sie geduscht hatte. Er lag nur mit Boxershorts bekleidet auf ihrem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte an die Decke. In der Kabine duftete es köstlich nach frischen Croissants und Kaffee.
»Ist Ihnen jetzt nach etwas Essbarem, gnädige Frau?«, er machte eine einladende Handbewegung zu dem üppig beladenen Servierwagen neben der Tür. Darauf lag auch ein Informationsblatt, das vermutlich draußen an ihrer Kabinentür gesteckt hatte. In dicken Lettern wurde daran erinnert, dass das Gepäck aller Passagiere bis spätestens sechs Uhr am nächsten Morgen zur Abholung bereit vor den Kabinen stehen musste.
Den Rest des Nachmittags erlebte Nina wie durch den
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