Colorado Kid
und so wird’s wohl auch bleiben, denn viel größer werden wir hier nicht werden.«
»Gott sei Dank«, grummelte Dave. »Bloß keinen scheiß Wal-Mart. Entschuldige die Ausdrucksweise, Steffi.«
Sie lächelte ihn an und sagte: »Schon gut.«
»Jedenfalls«, fuhr Vince fort, »möchte ich jetzt, dass du den Gedanken an Mord vorerst vergisst, Steffi. In Ordnung?«
»Ja.«
»Ich denke, am Ende wirst du zu dem Schluss kommen, dass du ihn weder gänzlich vom Tisch wischen noch richtig drauf stehen lassen kannst. So ist das mit vielen Dingen bei Colorado Kid und deshalb eignet sich die Geschichte nicht für den Globe. Von Yankee, Downeast und Coast ganz zu schweigen. Sie hat sich nicht mal richtig für den Weekly Islander geeignet. Wir haben natürlich drüber berichtet, klar, schließlich sind wir ’ne Zeitung, Nachrichten sind unser Metier – auf mich warten Ellen Dunwoodie und der Hydrant, vom kleinen Sohn der Lesters ganz zu schweigen, der in Boston eine neue Niere bekommt, vorausgesetzt er hält lange genug durch –, und natürlich musst du den Leuten von der Heuwagenfahrt draußen auf dem Gernerd-Hof berichten, oder?«
»Das Picknick nicht zu vergessen!«, murmelte Stephanie.
»Essen bis zum Umfallen – das Volk wird sich erheben, wenn es das nicht erfährt.«
Die Männer lachten. Dave schlug sich sogar mit der Hand auf die Brust, um ihr zu zeigen, wie gut der Witz gewesen war.
»Ah jo, mein Mädchen!«, stimmte Vince grinsend zu.
»Aber manchmal passieren Dinge, da finden zum Beispiel zwei Schüler beim morgendlichen Trainingslauf eine Leiche am schönsten Strand des Ortes, und man sagt sich: Es muss doch eine Story dahinterstecken. Keine simple Nachricht: was, warum, wann, wo und wie, sondern eine Geschichte – und dann musst du feststellen, dass nichts zu finden ist. Dass es wirklich nur eine Reihe zusammenhangloser Tatsachen um ein echtes, ungelöstes Rätsel ist. Und das, meine Liebe, wollen die Leute nicht. Es macht sie nervös. Das sind zu viele Wellen. Die machen seekrank.«
»Amen«, schloss Dave. »So, nun erzähl mal den Rest, solange es noch hell ist!«
Und das tat Vince Teague.
7
»Wir waren fast von Anfang an dabei – mit ›wir‹ meine ich Dave und mich, den Weekly Islander –, auch wenn ich nichts ins Blatt gesetzt habe, was George Wournos nicht vorher freigegeben hatte. Damit hatte ich kein Problem, weil an der Sache nichts war, das das Wohl der Insel zu beeinträchtigen schien. Nach diesen Kriterien entscheiden Zeitungsleute ständig, Steffi – dir wird es mal genauso gehen –, und irgendwann gewöhnt man sich dran. Man muss nur darauf achten, dass man sich nie zu wohl dabei fühlt.
Die beiden Schüler liefen also zurück und bewachten die Leiche, auch wenn es da nicht viel zu bewachen gab. Bis George und Doc Robinson eintrafen, sahen sie nur vier Autos, die in Richtung Stadt fuhren. Keines verlangsamte die Geschwindigkeit, bloß weil zwei Jugendliche auf der Stelle joggten oder Dehnübungen am kleinen Parkplatz von Hammock Beach machten.
Als George und der Doc eintrafen, schickten sie Johnny und Nancy fort, und hier verlassen die beiden unsere Geschichte. Sie waren neugierig, schätze ich, wie Menschen halt sind, aber letztendlich bestimmt froh, gehen zu können. George stellte seinen Ford auf dem Parkplatz ab, der Doc nahm seine Tasche, dann gingen sie zu dem Mann, der gegen die Mülltonne gelehnt dasaß. Er war wieder ein bisschen zur Seite gesackt, so dass der Doc ihn zuerst wieder richtig hinsetzte.
›Ist er tot, Doc?‹, fragte George.
›Und wie! Der ist seit mindestens vier Stunden tot, vielleicht sogar seit sechs und mehr‹, antwortete der Doc. (Ungefähr in dem Moment kam ich angefahren und parkte meinen Chevy neben Georges Ford.) ›Der ist steif wie ein Brett. Rigor mortis.‹
›Was glaubst du, wie lange er hier schon liegt? Seit
Mitternacht?‹, fragte George dann.
›Der kann hier schon länger liegen, wenn du mich fragst‹, sagte der Doc, ›ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass er seit heute Nacht zwei Uhr tot ist. Wegen der Totenstarre. Wahrscheinlich ist er schon seit Mitternacht tot, aber in solchen Fragen bin ich kein Experte. Wenn starker auflandiger Wind herrschte, könnte das Einfluss auf das Einsetzen der Totenstarre gehabt haben.‹
›Gestern Nacht war kein Wind‹, sagte ich, als ich mich zu den beiden gesellte. ›Es war so ruhig und still wie in der Kirche.‹
›Na, sieh mal einer an, noch einer, der seinen Senf
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