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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nun seinerseits dem Rad einen Tritt. »Hab' Amos schon letzten Monat gesagt, daß er ein neues Rad braucht.« »Er will ihn verkaufen. Hast du Interesse?«
    »Was, ich? Für einen ausgeleierten Conestoga?« Er lachte und folgte den anderen in den »Weißen Schwan«.
    Der junge Mann mit dem viereckigen Bart blieb allein im Schnee stehen. Langsam ging er um den Wagen herum und prüfte dessen Zustand, dann machte er sich auf den Heimweg. Seiner Familie gehörte eine der schönsten Farmen des ganzen Bezirks, kurz vor der Zollgrenze. Eine Zufahrtsallee mit prächtigen, jetzt entlaubten Bäumen ging südlich von der Hauptstraße ab.
    Schon von weitem war das große Stallgebäude mit seinen rotgelben Schutzzeichen, die das Böse abwenden sollten, zu sehen, und im klaren Mondlicht konnte man den stolzen Namen lesen.
    Jacob Zendt 1713 Metzger
    Wie bei jeder Lancaster-Farm, die etwas auf sich hielt, war der Stall sechsmal so groß wie das Wohnhaus, denn die Amish und die Mennoniten wußten sehr wohl Prioritäten zu setzen.
    Während der junge Mann über den knirschenden Schnee ging, schaute er sich aufmerksam die Bäume an. Da Hickorybäume und Eichen für sein Geschäft wichtig waren, merkte er sich auch das kleinste Bäumchen schon vor und überlegte, wann es reif zum Fällen sein würde.
    Auf der Zendt-Farm gab es viel Holz: den seit jeher vorhandenen Wald, den Melchior Zendt 1701 hier vorfand, als er aus Deutschland eingewandert war, dann die Allee, die sein Sohn Jacob 1714 gepflanzt hatte, und - das Beste von allem - das kleine Wäldchen, 1767 von Lukas Zendt gepflanzt, das das eine Ende des Teiches umrahmte. Es bestand aus Ahorn, Eschen, Ulmen, Eichen und Hickorybäumen. Für jeden der Bäume war sorgfältig der für ihn günstigste Platz ausgesucht worden, und sie gediehen alle prächtig.
    Der junge Mann blickte kurz auf die riesige Scheune, dann auf das kleine rote Gebäude, in dem er selbst arbeitete, auf ein noch kleineres, das vom vielen Rauch geschwärzt war, einige schneebedeckte Schweineställe, Hühnergehege und Kornspeicher. Zwischen den größeren Gebäuden eingezwängt stand das schmale, schindelgedeckte Wohnhaus. Das Küchenfenster war erleuchtet, und als er die Tür aufstieß, sah er, daß seine Mutter eben das Abendessen bereitete, während sein ältester Bruder Mahlon in der Bibel las.
    »Amos Boemer hat seine Glocken verloren«, sagte er, als er den Hut an einen Haken hängte. »Er hat fürchterlich geflucht.« Seine Mutter arbeitete stumm weiter, und Mahlon fuhr fort, in der Bibel zu lesen.
    »So ein Gefluche hab' ich noch nie zuvor gehört«, sagte der junge Mann.
    »Gott wird es ihm nicht vergessen«, sagte Mahlon mit seiner tiefen Stimme, ohne von der Bibel aufzublicken. »Er ist in eine Schneewehe östlich von Coatesville geraten«, erklärte der junge Mann. Als er darauf keine Antwort erhielt, ging er zur Waschschüssel, um sich für das Abendessen zu reinigen.
    Während er sein Gesicht wusch, sagte Mahlon: »Amos Boemer ist ein gottloser Mensch. Kein Wunder, daß der Herr ihn gestraft hat.«
    »Es war das linke Hinterrad.«
    »Es war der Wille Gottes«, meinte Mahlon.
    Nun hob die Mutter eine schwere Glocke und läutete eine halbe Minute lang, bis es schien, als würde der Ton die ganze Farm erfüllen. Aus dem großen Stall kam Christian, dessen Aufgabe es war, Schweine und Rinder von den umliegenden Farmern zu kaufen; von seiner Begabung, günstig zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen, hing der finanzielle Erfolg der Familie ab. Aus den Schweineställen kam Jacob, dem die
    Schweinezucht oblag. Aus dem sauber getünchten weißen Gebäude kam Caspar, der das Schlachten besorgte. Levi, der Jüngste, der die Ankunft des Conestoga in der Hell Street beobachtet hatte, verarbeitete das Fleisch in dem kleinen roten und dem rußgeschwärzten Gebäude zu Würsten und Eingepökeltem. Er machte das so gut, daß die Zendtschen Wurstwaren den höchsten Preis in ganz Lancaster erzielten. Die Familie überlegte sogar, nach Philadelphia zu liefern, doch zuerst mußte die Eisenbahnlinie bis Lancaster fertiggestellt sein.
    Die vier jüngeren Brüder, alle geprägt vom mennonitischen Glaubenseifer, setzten sich an die Längsseiten des Tisches. Ihre etwa sechzigjährige Mutter saß an der Schmalseite in der Nähe des Herdes, damit sie während des Essens hin und wieder in einem Topf umrühren konnte. Ihr gegenüber saß Mahlon, der Älteste. Er war ein düsterer Mann um die Dreißig, auf dem seit dem Tod des Vaters die

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