Colorado Saga
sammeln. Über das Land, das sich da und dort zu bilden begann, fegten ohne Unterlaß stürmische Winde. Ungeheure Hochwasserfluten
überschwemmten neu auftauchende Landteile, stiegen und fielen in den Wehen einer Geburt, die noch nicht ganz Wirklichkeit geworden war.
Irgendwann vor drei Milliarden sechshundert Millionen Jahren begann sich tief innerhalb der Erdkruste oder vielleicht auch im oberen Teil des darunterliegenden Erdmantels eine Masse von Magma zu sammeln. Die Hitze, die sie ausstrahlte, war so groß, daß der zuvor massive Stein teilweise zu schmelzen begann. Die leichteren Substanzen schmolzen zuerst und schoben sich durch die schwereren Substanzen, die unten blieben, nach oben.
Langsam, aber mit unwiderstehlicher Kraft strebte das Magma nach oben. An manchen Stellen barst es durch die Erdkruste, Vulkane bildend, deren Asche eine Fläche von Tausenden Quadratkilometern bedeckte. Oder die zähe Substanz kam, aus Spalten hervorquellend, in Form von Lava ans Tageslicht und breitete einen bis zu dreihundert Meter dicken Teppich über das Land. Währenddessen festigte sich das innere Material, von dem der größte Teil innerhalb der Erdkruste gefangen war, kühlte mit der Zeit ab und formte weit unter der Erdoberfläche puren Granit. Tausende Male noch sollte von da an dieses Zusammentreffen von Hitze und Bewegung die Oberflächengestalt der Erde verändern. Doch diese große Umformung von drei Milliarden sechshundert Millionen Jahren unterschied sich von anderen ähnlichen Ereignissen aus einem ganz besonderen Grund: Sie schuf die massiven Granitblöcke, das Grundgebirge, auf dem sämtliche späteren tektonischen Formationen aufbauten. Von da an sollte es von den verschiedensten kataklysmischen Kräften durchdrungen, verzerrt, komprimiert, erodiert und rücksichtslos verformt werden, doch es hielt all diesen Angriffen drei Milliarden sechshundert Millionen Jahre lang bis auf den heutigen Tag stand. Auf ihm bauten sich die nächsten Berge auf, durch seine Gesteinsmassen wanden sich die Flüsse, auf seiner zerklüfteten Oberfläche wanderten später die Tiere, und auf seinem zuverlässigen Fundament ruhten Gehöfte und ganze Städte.
Nachdem sich das Grundgebirge in Colorado gebildet hatte, ereigneten sich höchst ungewöhnliche Dinge. Ungefähr zwei Milliarden Jahre der Erdgeschichte verschwanden, und zwar spurlos. Aufgrund von Forschungen in anderen Teilen des Westens können wir Vermutungen über die Geschehnisse anstellen. Beweise jedoch haben wir nicht. Das Gestein, anhand dessen wir die Vorgänge hätten erklären können, ist entweder bis zur Unkenntlichkeit zerstört oder gar nicht erst abgelagert worden. Wir tappen vollkommen im dunkeln.
Diese Unkenntnis beschränkt sich keineswegs auf das begrenzte Gebiet rings um Centennial, obwohl die Lücke dort am spektakulärsten ist, nirgendwo in ganz Nordamerika hat man eine einzige ununterbrochene Gesteinsfolge vom frühesten Tiefengestein bis zum jüngsten Sedimentgestein gefunden. Überall klafft eine Lücke, die auf engstem Raum die erstaunlichsten Unterschiede aufweisen kann. So finden sich beispielsweise aus demselben Erdzeitalter, das in der Gegend von Centennial keine Spuren hinterlassen hat, einige Meilen weiter südlich die steinernen Zeugen der aufgetürmten Granitmassen des Pikes Peak.
Hunderte Millionen von Jahren lang muß Centennial auf dem Boden eines Meeres gelegen haben, das damals einen großen Teil Nordamerikas bedeckte. Dann sanken die von den über dem Meeresspiegel gebliebenen Erdmassen abgetragenen Sedimente lautlos ins Wasser, lagerten sich auf dem Grundgebirge ab und schufen mit unendlicher Langsamkeit ein sedimentäres Gestein, das endlich bis zu siebzehnhundert Meter Höhe erreichte.
Als der Mensch schließlich die Bühne betrat, wurde er zum Erben dieser verschwundenen Jahre. Alles, was er unternahm, wurde von den Geschehnissen jener vergessenen Jahre beeinflußt, denn damals wurde die Eigenart dieser Erde bestimmt, ihr mineralischer Gehalt, der Wert ihres Bodens und der Salzgehalt ihres Wassers.
Vor ungefähr dreihundert Millionen Jahren begann dann ein Prozeß, den man als den ersten bezeichnen kann, der rund um Centennial identifizierbare Spuren hinterlassen hat, mit diesem Prozeß beginnt unsere Geschichte. Innerhalb des Mantels entwickelten sich Kräfte, die ein Durchstoßen der Erdkruste zur Folge hatten. Das Grundgebirge zerbrach in einzelne Blöcke, von denen einige höher hinaufgeschoben wurden als
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