Colorado Saga
reißende Strudel springen würden, um ein Mädchen zu retten, für das sie nicht einmal verantwortlich sind. Als der Wagen sich neigte und ich in den Fluß fiel, glaubte ich schon, daß es mit mir aus sei, da Levi ja vor mir schwamm und meinen Sturz daher gar nicht sehen konnte. Ich schlug mit den Armen um mich, schrie und schluckte schlammiges Wasser. Als diese beiden Gentlemen ihre eigene Sicherheit außer acht ließen, um mich zu retten, war ich schon halb ertrunken. Ich komme mir direkt wichtig vor, als würde Gott mich für eine bedeutende Pflicht auserkoren haben und daher nicht wünschen, daß ich so jung sterbe. Der schreckliche Regen hat endlich aufgehört, und der Himmel ist klar... vielleicht ist dies die schönste Nacht meines Lebens.«
Wenn es tatsächlich Gott war, der Elly gerettet hatte, dann war er aber auch für den furchtbaren Streit verantwortlich, der am nächsten Morgen stattfand. Obwohl es Sonntag war, fanden Hauptmann Mercy und Unteroffizier Lykes, daß die Gruppe weiter westwärts ziehen sollte, um nach Möglichkeit einige der Tage aufzuholen, die man am Big Blue verloren hatte. Dies stand jedoch in Widerspruch zu der Vereinbarung, die von den Fishers und Fraziers erzwungen worden war, nämlich am Sabbat nichts zu tun. Sie hatten auch nicht vor, diese Regel an diesem speziellen Sonntag zu brechen, ganz besonders, da Gott sie heil und gesund über den gefährlichen Fluß geleitet hatte.
»Wir müssen weiter!« sagte Mercy bestimmt.
»Wir werden diesen Tag nicht entheiligen«, erwiderte Mrs. Fisher.
Sie gingen zu Sam Purchas, der nicht einmal eine Minute lang zuhörte und dann seine Entscheidung fällte: »Wer nach der langen Verzögerung nicht so schnell wie möglich weiterzieht, der hat sein Hirn nicht im Kopf, sondern im Arsch.«
Mrs. Fisher verlangte von ihrem Mann, daß er Purchas eins mit der Peitsche überziehen solle. Doch Purchas sagte zu ihr: »Wenn du deinen Alten dazu bringst, auch nur eine falsche Bewegung zu machen, hat er bald noch was anderes im Hintern als nur sein Hirn. Macht eure Wagen fertig!«
Also brach die Gruppe mit Purchas an der Spitze auf, gefolgt von Lykes mit den Maultieren, Hauptmann Mercy hoch zu Roß und dem Conestoga. Elly hielt die Zügel, während Levi neben dem linken Vorderrad ging. Es war völlig klar, daß nach diesem »Schiedsspruch« keine Stockung geduldet werden würde, also spannten Fisher und Frazier nach einer halben Stunde Gezank die Pferde vor die Wagen und machten sich verspätet auf den Weg. An diesem Sonntag wurden 14 Meilen zurückgelegt, aber die Fishers und Fraziers sprachen mit keiner Menschenseele ein Wort.
Purchas führte seine Gruppe einige Meilen westwärts, bis sie zum Little Blue kamen, an dessen linkem Ufer sie in nordwestlicher Richtung fast zwei Wochen lang ziehen würden, bis zum Platte River, wo der eigentliche Trail in Richtung Westen beginnen konnte. Am 2. Juli sahen sie zum ersten Mal Biber, ein hübsches kleines Muttertier mit ihren Jungen, die am Ufer spielten. Den 4. Juli feierten sie durch Abfeuern der Gewehre und eine schöne Rede von Mr. Frazier auf die Großartigkeit Amerikas, der huldvolle Worte Oliver Seccombes folgten, in denen er darlegte, daß England zwar eine Kolonie verloren, jedoch einen Freund gewonnen hätte. Noch mehr Gewehrsalven krachten, und Elly buk einen Kuchen und belegte ihn mit getrockneten Apfelringen. Sam Purchas betrank sich furchtbar und schoß den Revolver so lange ab, bis er Ladehemmung hatte.
Die Tage waren für alle recht angenehm, außer für Levi, der darunter litt, daß sie wieder von Reisenden mit Pferden überholt wurden, während die Ochsen so quälend langsam dahintrotteten. »Laß sie nur«, schrie Purchas. »Deine Stunde kommt schon noch.«
Am 5. Juli sahen sie das erste Büffelgras und am Tag darauf das erste Grammagras. Sie untersuchten beides genau, bogen die kurzen Stengel auseinander und kamen zu der Überzeugung, daß man damit nicht viel anfangen konnte.
Als sie am 7. Juli über den Kamm eines kleinen Sandhügels kamen, hielten sie einen Moment an, um auf den Platte hinunterzusehen, den eigenartigen, unberechenbaren Fluß, dem sie Hunderte von Meilen weit folgen würden.
Endlich waren sie auf der richtigen, ebenen Straße, auf der die Planwagen mit größerer Geschwindigkeit und Sicherheit dahinrollen konnten als sogar auf den Straßen von St. Louis oder Philadelphia. An manchen Tagen schafften die Ochsen 18 Meilen. Levi sagte: »Dies muß die beste Straße
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