Colorado Saga
noch mordlustiger waren, entschied er, daß der edle Wilde seiner Träume nicht im Süden, sondern im freieren, kälteren Norden leben mußte.
In dieser Überzeugung wurde er durch eine kleine
Exkursion bestärkt, die er von Santa Fe aus zu den sinnreichen, kunstvoll erbauten Pueblos machte, in denen er seine ursprünglichen, gütigen Wilden zu finden hoffte. Statt dessen fand er lediglich einen Haufen erbärmlicher Hütten vor und mußte auf dem Rückritt nach Santa Fe feststellen, daß er mit Läusen übersät war. Er mußte sich den Kopf scheren lassen und roch einige Tage lang abscheulich nach Büffelfett. Seine Rückreise durch das Land der Apachen und Comanchen, wo jeden Tag ein Scharmützel stattfand, gab seinem ursprünglichen Enthusiasmus natürlich keine weitere Nahrung. Er verlor dann sogar fast jede Hoffnung, als der Zug auf einen Trupp der Kiowa stieß, die auf dem Kriegspfad waren und zwei der Reisenden töteten. Der gerechte und weise Indianer, wie Rousseau ihn beschrieben hatte, mußte in den nordwestlichen Gebieten leben. Als Seccombe nach Oregon aufbrach, tat er seine bisherigen Zusammentreffen als eine bloße Vorbereitung auf das große Abenteuer ab, das ihm nun bevorstand, da er endlich den unverdorbenen Indianer treffen würde.
Am 29. Mai lernten sie die Sac und die Fox kennen. Sie kamen zu elft aus dem Missionshaus geschritten, gut gekleidet, gut genährt, sprachen englisch und boten den Reisenden eine Auswahl von Decken, Tomahawks und Mokassins aus Wildleder an, die mit Perlen bestickt waren. Der Preis jedes einzelnen Stücks war in »Bits« angegeben - spanische Silberdollar, die in acht Teile gesägt worden waren, so daß 25 Cent zwei Bits entsprachen -, und sie würden sich nicht herunterhandeln lassen.
»Mokassins, beste Qualität... ein Dollar zwei Bits«, sagte der Anführer und wollte sich mit weniger nicht zufriedengeben. Während der Handel in vollem Gang war, erschienen sechs andere Indianer, die um Fleisch bettelten. Als sie nichts bekamen, stahlen sie Lykes ein Maultier. Als der Diebstahl bemerkt wurde, setzte zuerst großes Ratschlagen ein, was zu tun sei, bis
Sam Purchas seine Hawken in die Luft abfeuerte und den Anführer der handelnden Gruppe warnte: »Du bringst uns das Maultier zurück, oder der nächste Schuß geht geradewegs durch deinen Kopf!« Der Indianer glaubte Sam Purchas aufs Wort, denn Sam war wohlbekannt als grausamer Mann... und das Maultier wurde zurückgebracht.
Als der Treck sich wieder in Bewegung setzte, erklärte Seccombe, daß die Sac und die Fox wunderbare Beweise für seine Behauptung seien: »Sie sind durch die Religion des weißen Mannes verdorben worden. Ihr ganzer angeborener Adel ist durch das Presbyterianertum, auf das sie nicht vorbereitet gewesen sind, vernichtet worden.« Seiner Meinung nach würde er keine echten, guten Indianer treffen, solange er nicht die Pawnee gesehen habe, über die er viel Gutes gehört hatte.
»Pawnee!« Sam Purchas explodierte förmlich. »Die würden den Montag stehlen, wenn dadurch der Dienstag für sie günstiger würde.«
Die Fahrt nach Westen war reich an Überraschungen, Momente der Langeweile gab es kaum. Die ersten Hügel tauchten auf, und die Reisenden merkten langsam, daß das Vorwärtskommen immer schwieriger werden würde. Doch noch wuchs um sie herum saftiges Gras, und sie fanden immer gutes Wasser. Unter den Hickorybäumen, den Eichen und den vielen Walnußbäumen und Birken fühlten sich diese Bauern aus dem Osten fast wie zu Hause. Doch vom Kamm eines Hügels aus schauten sie nun plötzlich auf eine endlose, weite Landschaft mit nur vereinzelten Bäumen und struppigem Gras, und sie hielten den Atem an vor der Fremdartigkeit des Landes, in das sie vordringen wollten.
Gegen Ende der ersten Woche begann es zu regnen, und zwar nicht so, wie man es in Lancaster gewöhnt gewesen war, sondern in wahren Sturzbächen. Der Regen hatte eine solche Kraft, daß das Wasser in hohen Fontänen vom Boden aufspritzte. Elly Zahm schrieb:
»Sonntag, den 2. Juni... Ich schreibe diesen Brief zusammengekauert im Conestoga beim Licht einer flackernden Kerze. Es regnet, aber nicht so wie in unserer Heimat. Es gießt wie aus Kübeln und durchdringt alles. Manchmal wird der Wagen derartig hin und her gerüttelt, daß ich den Federhalter nicht unter Kontrolle habe, und der Wind heult so durchdringend, daß ich kaum einen vernünftigen Gedanken fassen kann. Levi hat über unseren Wagen eine Gummiplane gehängt, und trotzdem
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