Colorado Saga
wurden, dem Tod nahe waren und nur durch Gottes unendliche Güte gerettet wurden. Dies ist keine alltägliche Reise, denn es geschehen große Dinge.«
Jeder der Reisenden unterlag in der Beurteilung des Landes Irrtümern, die fortdauern und großen Schaden anrichten sollten. So teilte zum Beispiel Hauptmann Mercy Ellys Ansicht, daß sie durch eine Wüste zogen, er konnte nicht den geringsten Nutzen für die Weißen sehen. In seinen Berichten nach Washington schrieb er:
»Das Land hinter dem Missouri ist kahl, öde, ohne Schutz für Mensch oder Tier und ohne jeglichen Nutzen für die Zukunft. Es ist eine Wüstenei, die Menschen nicht ernähren kann.«
Sam Purchas und Oliver Seccombe vertraten die erstaunlichsten Theorien über die Indianer, und zwar ganz gegensätzlich. Sam war davon überzeugt, daß die Indianer ursprünglich aus Ägypten kamen, wo sie dem Pharao gedient und Moses verfolgt hatten. »Sie sind uns hier als Strafe geschickt worden«, erklärte er Oliver, »und es ist unsere Pflicht, sie wiederum zu züchtigen wann immer wir die Chance bekommen. Gott will es so.«
Er schwor, daß er so lange Indianer töten würde, als er Kugeln im Lauf seiner Büchse stecken hatte. »Dieses Land kann von Weißen erst dann bewohnt werden, wenn diese Wilden alle tot sind.«
Seccombe glaubte, wie viele Gebildete seiner Zeit, daß die Indianer in Wirklichkeit die »Creme« der einstigen walisischen Bevölkerung gewesen waren, die in frühhistorischer Zeit nach Amerika ausgewandert seien, um bessere Existenzmöglichkeiten zu suchen, und er war überzeugt davon, daß er irgendwo doch noch auf den edlen Waliser-Indianer stoßen würde, den er so sehr suchte.
Levi Zendt trug sein ganz persönliches Mißverständnis mit nach dem Westen - das eigenartigste von allen -, das er an jenem regnerischen Nachmittag in St. Louis zu entwickeln begonnen hatte, als er zum erstenmal jenen monströsen Elefanten aus dem Westen sah. Viele Nächte wurde er von diesem Bild verfolgt. Nachdem er Elly dabei geholfen hatte, die beiden verwaisten Kinder zu Bett zu bringen, hatte er sich erboten, die erste Nachtwache zu übernehmen. Während er die nachtdunkle Prärie betrachtete, sah er plötzlich am Himmel etwas aus den Wolken Gestalt annehmen, und er wurde von jener uralten Schreckensvision erfaßt.
»Lykes, was ist das?« schrie er.
»Bloß der Elefant, der mit dem Schwanz schlägt.«
Sobald Levi diese Worte gehört hatte, sah er das riesige Tier den Himmel verschlingen, und wie aus großer Entfernung konnte er die geisterhafte Stimme Lykes' hören, der davon erzählte, wie das Ungeheuer durch die Prärie tobte und die Herzen aller Trailer mit Entsetzen füllte. »Das sind nicht etwa Elefanten, wie man sie im Zirkus sieht, o nein! Er ist riesig, größer als die meisten Bäume, und hat Stoßzähne, die wie türkische Säbel gebogen sind. Sein Rüssel fegt durch die Luft wie ein Orkan, und mit dem Schwanz kann er einen Wagen umwerfen. Sein Charakter ist gemein -geradezu heimtückisch, sag' ich Euch -, und wenn Ihr ihn seht, dann lauft um Gottes willen, so schnell Ihr könnt, denn er hat nur eins im Sinn: Euch
plattzuwalzen.«
Seccombe, der die Unterhaltung im Dunkeln mit anhörte, kam zu ihnen. Als er merkte, um was es ging, gab auch er seinen Senf dazu. »Es gibt noch ungefähr vierzig von den wirklich ganz großen in dem Gebiet bis zu den Bergen. Am Big Blue hatte sich einer versteckt und bedrohte uns, als wir den Fluß überqueren wollten. Und nördlich vom Pawnee-Dorf lebt ein richtiges Ungetüm. Doch sie treffen sich erst weiter westlich, noch hinter dem Fort John.« Er ließ die Stimme geheimnisvoll sinken, um dem Ganzen mehr Nachdruck zu verleihen.
Die Ausgrabung der Knochen eines Mastodons, wie zum Beispiel des Skeletts, das Dr. Koch in St. Louis ausstellte, hatte die Sage von den riesenhaften Elefanten, die durch die Ebene stampften, ins Leben gerufen.
Als Levi nach seiner Wache zum Feuer zurückkam, versuchte Purchas den Zwist, den sie wegen der Kinder gehabt hatten, zu beseitigen. Er schenkte Levi eine Tasse Kaffee ein und fragte versöhnlich: »Hast du schon mal den Elefanten gesehen, Deutscher?«
»Hm.«
»Wo?«
Levi zögerte, weil er eigentlich mit Purchas kein Geheimnis teilen wollte, doch schließlich sagte er langsam: »Ich hab' ihn gesehen.«
»Wo denn? Na, schon raus mit der Sprache!«
»Ja, also... «
Purchas kratzte sich den Kopf und versuchte zu erraten, was Levi wohl sagen wollte. Irgend etwas in der
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