Colorado Saga
jeden Preis zu verhindern, denn kein Mensch konnte voraussagen, was daraus wurde. Für mehr als einen Cowboy, den eine rasende Herde niedergetrampelt oder mitsamt seinem Pferd in eine Schlucht geworfen hatte, war so eine Stampede das Ende des Trails gewesen.
Die erste Nacht verging friedlich, und Mr. Poteet verschlief den Vormittag im Wagen und überließ sein Lager am Nachmittag Nate Person.
In der zweiten Nacht gab es einen Schreck, als eine Nachtschwalbe über die unruhige Herde schoß und ihren düsteren Ruf ausstieß. Ein paar Ochsen sprangen auf die Beine, und weit und breit war kein Reiter zu sehen.
»Schnell!« rief Poteet gedämpft zu Lasater hinüber, der gerade Wache hatte, und der hagere Texaner spornte sein Pferd in Richtung des Unruheherds, aber er wurde nicht mehr gebraucht, denn ein zottiger alter
Ochse mit einer Hörnerweite von fast eineinhalb Meter, den Poteet Stonewall getauft hatte, hatte sich schon unter die Aufgeregten geschoben, die seine Gegenwart zu beruhigen schien.
»So ein Ochse ist drei Cowboys wert«, sagte Poteet. »Wo haben Sie ihn her?« fragte der Cowboy.
»Der war schon zweimal mit mir mit«, antwortete Poteet. »Auf ihn kann man sich verlassen wie auf einen General.«
»Der versteht sein Geschäft«, sagte Lasater. Der Rest der Nacht verlief ohne Zwischenfall.
Auf dem Weg übernahm Stonewall ganz einfach die Führung. Der Ochse war schlau, kannte sich aus auf dem Trail. Gleichgültig, wo er gerade graste, wenn Mr. Poteet seinen Hut schwenkte, trottete er ohne zu zögern an die Spitze des Zuges, um den Schritt anzugeben. Am vierten Tag ging schon alles seinen gewohnheitsmäßigen Gang.
Da geschah etwas Unvorhergesehenes. An diesem Morgen erschien plötzlich ein ganz junger Bursche, ein Kind noch, der der Staubwolke, die die Herde aufwarf, einfach gefolgt war, im Camp und fragte nach Mr. Poteet. Lasater führte ihn zum Trailboß und hörte, wie der junge Reiter sagte: »Mr. Poteet, meine Mutter sagt, Sie möchten bitte zu ihr hinüberreiten.«
»Und wer ist deine Mutter?«
»Emma Lloyd.«
»Tom Lloyd ist dein Vater?«
»Ja, Sir.«
»Wie geht's ihm?«
»Er ist tot. Vom Krieg nicht zurückgekommen.«
Poteet blickte über die Prärie. Wieder bedrängte ihn der Schrecken des Bürgerkriegs. Aber er blickte noch weiter zurück, in jene glücklicheren, friedvollen Tage, als er und Tom Lloyd Emma Staller umworben hatten, mit halbem Herzen nur, wie üblich unter Cowboys, und als Tom eines Tages zu ihm sagte: »R. J. ich heirate Emma«, und er antwortete: »Du bekommst ein großartiges Mädchen.« Die Lloyds waren seßhaft geworden, hatten ein Stück Land mit gutem Wasser unter dem Heimstättengesetz erworben. Dann der Krieg.
»Wie weit ist die Ranch?« fragte Poteet, aber bevor der Junge zu einer Antwort kam, fragte er wieder: »Wie heißt du, Sohn?«
»Jim.«
»Führt die Herde weiter, Person«, sagte Poteet und ritt mit dem Sohn seines alten Freundes davon.
Als sie über den Hügel ritten, bot sich Poteet ein Anblick, der ihm nur allzu vertraut war: eine TexasRanch mit guten Möglichkeiten, aber heruntergekommen, weil kein Mann da war. Es schmerzte ihn, Emma Lloyd in solchen Umständen wiederzusehen, aber er schüttelte den Staub von seinem Hut und ritt auf das Haus zu. »Hi, Emma!« rief er.
»R. J.! Gott segne dich, du siehst großartig aus!« sagte sie und wischte die Hände an ihrer Schürze ab. »Was kann ich für dich tun?« fragte Poteet.
»Kauf mir mein Vieh ab.«
»Ich habe alles beisammen, was ich brauche, Emma.«
»Das sagte mir Jim schon, als er von Jacksboro zurückkam. Ich habe ihn hingeschickt, damit er unser Vieh anbietet.«
»Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Er kam zu spät hin«, sagte sie. Poteet mußte sich umdrehen und auf die niedrige Hügelkette im Süden starren. Er sah den Jungen vor sich, wie er die ganze Nacht durchritt und erschöpft und übernächtigt Jacksboro erst erreichte, nachdem er, Poteet, es schon wieder verlassen hatte.
»Gut, ich nehme deine Rinder, Emma. Wie viele sind es?«
»Zweihundertzehn.«
»Aber ich kann sie nur in Kommission nehmen. Ich gebe dir jetzt zwei Dollar das Stück, später bekommst du den Rest, je nachdem, wieviel ich in Fort Sumner dafür bekomme.«
»Gott sei gedankt«, sagte Mrs. Lloyd.
Als er ihr die vierhundertzwanzig Dollar gegeben hatte, aus seiner eigenen, nicht aus Skimmerhorns Tasche, fragte sie leise: »Könntest du Jim
mitnehmen?«
»Wie alt bist du, Jim?«
»Siebzehn«, sagte
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