Colorado Saga
abgelegenen Gebiete der Ranch einmal aufgegeben wurden oder wenn der tatsächliche Landbesitz einmal eingezäunt werden sollte. Dann kam der Tag, an dem man das Vieh zählen konnte, und das Defizit würde alle überraschen. Was Skimmerhorn betraf, so führte er genau Buch über jede Transaktion, in die er selbst verwickelt war; sollte Finlay Perkin jemals Einsicht in seine Bücher nehmen wollen, so würde er dort alles mit größter Genauigkeit aufgezeichnet finden. Unter keinen Umständen würde Skimmerhorn Seccombe auffliegen lassen; er dachte nicht daran, Henry Buckland auf die faulen Stellen in den VennefordBüchern aufmerksam zu machen.
Als Skimmerhorn das Camp verließ, war Henry Buckland erst recht nicht klüger als zuvor. Das Ganze schien ihm darauf hinauszulaufen, daß in diesem Rindergeschäft der Geldgeber dem Manager einfach absolutes Vertrauen schenken mußte. Er mußte sich einfach auf Seccombe verlassen, trotz seiner Zweifel an der Buchzählung. Der Bursche war jedenfalls nicht auf den Kopf gefallen, und wenn Charlotte ausgerechnet ihn haben wollte, so hätte sie auch eine schlechtere Wahl treffen können.
Die letzten Tage im Camp vergingen in gespannter Erwartung. Drei Menschen steuerten auf Entschlüsse zu, die von Zweifeln keineswegs frei waren. Bucklands Zweifel an der wirtschaftlichen Stabilität der Ranch wurden nie völlig zerstreut. Charlotte war von der lieblichen Landschaft rund um Camp Vier völlig gefangen; sie rechnete damit, daß Seccombe im Herbst um ihre Hand anhalten würde, und betrachtete dieses nördliche Gebiet der Ranch bereits mit den Augen der zukünftigen Besitzerin.
Oliver Seccombe war nach wie vor der Ansicht, daß ihm eine allzu enge Verbindung mit den Bucklands gefährlich werden könnte. Es hatte einen äußerst peinlichen Augenblick für ihn gegeben, als Henry Buckland anfing, sich in Einzelheiten zu verbohren. Wer könnte auf einer so riesigen Ranch jemals die Zahlen der Rinder mit einer Genauigkeit angeben, die einen Buchhalter befriedigte? Zugegeben, er hatte Zuchtstiere verkauft, um die Dividenden zahlen zu können, aber wenn in den nächsten Jahren so viele Kälber zur Welt kamen wie üblich, dann war der Verlust schnell wieder wettgemacht. Aber woher sollte man genaue Zahlen erfahren? Wer konnte wissen, ob jede stierische Kuh von einem Bullen besprungen wurde, und wenn, ob sie dann auch wirklich trächtig war? Wie sollte man auf einer Ranch von fünf Millionen Morgen feststellen, wie viele Kälber tot zur Welt kamen? Oder wie viele von Wölfen getötet wurden? Oder von Viehdieben gestohlen?
Irgendwo jenseits des Horizonts besaß die Venneford
Ranch zweiundvierzigtausend Stück Vieh. Übrigens konnten es auch sechzigtausend sein, oder siebzigtausend, wenn viele Kälber geworfen worden waren. Nach Skimmerhorns Schätzung gab es nicht mehr als fünfundzwanzigtausend Stück Vieh auf der Ranch. Lächerlich! Die Rinder waren draußen in der Prärie, und wenn man sie brauchte, dann würde man sie auch zu finden wissen. Als er mit den Bucklands zum Ranchhaus zurückritt, die beiden in einem leichten Wagen, er zu Pferd, beschloß er, den Sprung zu wagen: er würde diese aufregende kleine
Engländerin heiraten und ihren Vater so schnell wie möglich nach Hause verfrachten. Ich brauche nur sechs gute Jahre, sagte er sich, und das ganze Durcheinander ist wieder auf gleich gebracht.
Nachdem er die Bucklands im Haus untergebracht hatte, ritt er nach Zendt's Farm, um die Meinung des praktischen Levi und der phantasievollen Lucinda zu hören, besonders der letzteren. Auf einem Küchensessel hockend, eine Tasse heißen Kaffees in der Hand, eröffnete er ihnen: »Es sieht aus, als ob ich heiraten würde.«
»Sehr gut!« rief Levi. »Ich habe mich schon oft gefragt...«
Lucinda sagte nichts, sondern stand auf, ging zu Seccombe und gab ihm einen Kuß, als gehörte er zur Familie. Dann nahm sie seine Hand in die ihre und sagte: »Es ist Zeit.«
»Eine von den Engländerinnen in Cheyenne?« fragte Levi aufgeregt.
»Bucklands Tochter.«
»Die ist doch kaum älter als Clemma«, platzte Levi heraus, und Lucinda starrte ihn an.
»Einundzwanzig«, sagte Seccombe. »Und ich bin...« »Älter als ich«, sagte Levi offen. »Du bist nicht ganz bei Trost.«
»Warte«, sagte Lucinda, »kein Mann ist jemals zu alt, um eine Frau zu begehren. Gott hat uns geschaffen...«
In diesem Augenblick kam Clemma Zendt in die Küche, ein atemberaubend schönes Mädchen von achtzehn Jahren.
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