Colorado Saga
Wie eine sommerliche Brise zog sie durch den Raum, sagte nichts, nickte Seccombe nur zu; anscheinend hatte sie irgend etwas Wichtiges zu tun. Sie wirkte sehr jung, und Seccombe kam das besonders deutlich zum Bewußtsein.
»Sei kein alter Narr«, riet Levi. »Wenn du eine Frau brauchst, dann such dir eine unter den englischen Familien in Cheyenne, eine, die so alt ist wie du.« »Liebt sie dich?« fragte Lucinda.
»Ich glaube schon.«
»Und sie mag dich als Mann?«
»Ja.«
»Dann heirate sie.«
Lucinda blieb bei ihrer Meinung, lud die Bucklands zum Essen ein, und als alle saßen und der Schweinebraten - aus Potato Brumbauchs Zucht - auf dem Tisch stand, sagte sie, während sie Tee einschenkte: »Soviel ich höre, werden Sie und Oliver bald heiraten.«
»Ja«, antwortete Charlotte, obwohl die Sache noch keineswegs endgültig geregelt war.
»Sehr schön! Levi, hol eine Flasche Wein!« Und Henry Buckland trank verdutzt auf die Gesundheit seines künftigen Schwiegersohnes.
Der Hochzeitsempfang fand in Cheyenne im Haus von Claude Barker statt, einem Engländer, der eben dabei war, entlang des Horse Creek eine riesige Ranch aufzubauen. Es war ein Galaempfang mit Champagner aus Frankreich, und am Abend wurde bei
Fackelbeleuchtung auf dem Rasen gesungen und Krocket gespielt.
Die Engländer wünschten den Neuvermählten von Herzen das Beste, alle freuten sich, daß noch mehr Landsleute sich in diesem Territorium ansiedelten. Nur ein ganz kleiner Schatten trübte die festliche Stimmung. Henry Buckland unterhielt sich mit Claude
Barker über dessen neue Ranch und hörte Barker dabei sagen: »Einen beträchtlichen Teil meiner Rinder habe ich von L. D. Kane gekauft.«
»Buchzählung?« fragte Buckland.
»Natürlich. Ein unmöglicher Mensch übrigens. Hat wahrscheinlich nicht einmal halb so viele Tiere besessen, wie er mir verkauft hat. Aber was sollte ich tun? Ich brauchte seine Wasserrechte.«
»Wo stammt er her?«
»Aus London. Mehr Geld als Verstand.«
Er hat immerhin genug Verstand, dachte Buckland, um Rinder zu verkaufen, die er gar nicht hat. Nach seiner Rückkehr nach Bristol besprach er die Angelegenheit mit Finlay Perkin, der daraufhin die prächtigen Zahlen in den Büchern zum ersten Mal skeptisch zu betrachten begann.
Im Jahre 1875, als die Büffel endgültig ausgerottet waren und die Jäger nichts mehr zu tun hatten, erschien Amos Calendar in Zendt's Farm. Er fuhr in einem großen, vierrädrigen Armeefuhrwerk.
Er sammelte jetzt Büffelknochen und schickte sie in den Osten, wo sie zu Düngemittel verarbeitet wurden. Er durchstöberte die Prärien und kehrte zu jenen Plätzen zurück, wo er die Tiere früher abgeschossen hatte, und sammelte ihre weißen Knochen ein. Die Eisenbahngesellschaft gestattete ihm, an einer bestimmten Stelle in der Nähe von Line Camp Vier eine Knochensammelstelle einzurichten, bis er einen Waggon voll beisammen hatte. Dann schwärmte er wieder in die Prärie aus und suchte nach Skeletten, und in verschiedenen Städten konnte man bald die Händler erzählen hören: »Ich reite gerade den Hügel hinunter, und was glaubt ihr, was ich sehe? Ein großes Fuhrwerk, vorne zwei Maultiere, auf dem Kutschbock eine knochige Figur, über den Knien eine riesige Büchse. Und das Fuhrwerk war voll beladen mit Knochen.«
Allein, immer allein, wurde Calendar wieder zum Jäger, und nach und nach häufte er in seinem Depot einen gigantischen Knochenberg auf. In Abständen stellte er einen besonders großen Schädelknochen auf einer Stange auf und schrieb auf seine weiße Stirn: »Diese Knochen hier gehören mir. Calendar.«
Es schien ihm nicht zu genügen, daß er die letzten Büffel abgeknallt hatte, er mußte auch noch jede sichtbare Spur dieses großen Tieres von der Erde vertilgen, so, als hätte ihm Gott befohlen: »Du hast den Mist gemacht. Jetzt räum ihn auch auf.« Mit der Zeit arbeitete er sich westwärts bis zum Camp Fünf vor, wo sein scharfes Auge bei der Kreideklippe Hinweise darauf fand, daß von hier aus eine Büffelherde einmal in ihren Tod gestürzt war. Als Büffeljäger hatte er immer davon geträumt, einen »Stand« auszumachen; als Knochensammler suchte er nach dem Ort eines Büffelsturzes, denn wenn er so eine Stelle gefunden hatte, konnte er tagelang wühlen und Hunderte Skelette ausgraben.
Während Calendar gerade am Fuß der Klippe herumstocherte, kam Jim Lloyd vorbei, der eben auf einem seiner Rundgänge war. Er hatte keine Ahnung gehabt, daß Calendar
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