Colorado Saga
sich in dieser Gegend aufhielt; aber das Wiedersehen erinnerte die beiden an den Viehtrieb von 1868. Sie dachten gern daran zurück. »Jagen?« sagte Calendar, als Jim ihn gefragt hatte, was er seither getan hätte. »Damit ist es aus, jetzt sammle ich Knochen.«
»Lohnt es sich?«
»Man zahlt mir neun Dollar pro Tonne.«
»Die Knochen da sind aber ziemlich leicht«, sagte Jim und wog einen ausgetrockneten Schädel in der Hand. »Es läppert sich zusammen.«
»Nimmst du die da?«
»Ich glaube, ja.«
»Laß dich nicht aufhalten.«
Aber als Jim am Abend bei den Zendts vorbeikam, um
Clemma zu sehen, erzählte er ihrem Vater, was Calendar da draußen machte, und am nächsten Morgen ritt Levi neugierig zu der Kalkklippe hinaus -und das führte zu einer Entdeckung, die unter den Wissenschaftlern auf der ganzen Welt Furore machen sollte. Denn als Levi so herumstand und Calendar zusah, wie er einen Knochenhaufen freilegte, an dem er ein paar Wochen lang zu schaufeln haben würde, fiel sein Blick zufällig auf eine Reihe rötlicher Felsbrocken am Fuß des Kalkberges, weit unterhalb der Schicht, wo Calendar die Büffelknochen ausgrub, und aus diesem Gestein stand etwas heraus, das er im ersten Augenblick für einen Büffelknochen hielt.
»Das muß ein Büffel gewesen sein!« sagte er, verblüfft von der Größe des herausstehenden Knochens.
»Büffel ist das keiner«, sagte Calendar. »Büffelknochen im Stein, das ist mir noch nie untergekommen.« In dem Bedürfnis nach Zerstörung, das anscheinend in seinem Charakter verwurzelt war, hob er einen großen Stein auf und wollte den merkwürdigen Knochen zerschmettern. Aber Levi hielt ihn zurück.
»Das ist vielleicht was Besonderes«, sagte er.
»Was?«
»Ich bin nicht sicher, aber Lucinda hat in einer Zeitschrift gelesen...«
Er hielt inne. »Laß den Knochen in Ruhe«, sagte er, »ich gehe nach Hause.«
Daheim fragte er seine Frau nach dem Magazin mit der Geschichte von dem Professor aus Harvard; aufgeregt blätterte er es durch und fand endlich den Artikel, den er suchte. Hier wurde über die Arbeit von Professor Horace Wright aus Harvard in Massachusetts berichtet, der nach in England entwickelten Methoden in Lehmgruben in New Jersey herumgegraben und dabei Knochen von Tieren gefunden hatte, die seit Millionen von Jahren ausgestorben waren. Holzschnitte zeigten, wie diese ungeheuren Kreaturen vermutlich ausgesehen hatten, und Levi mußte dabei an das gigantische Elefantenskelett denken, das er mit Elly zusammen im Museum von St. Louis gesehen hatte. Noch am selben Abend ritt Levi, ganz im Bann dieser Urweltenungeheuer, zur Telegraphenstation in Greeley und schickte eine Depesche ab, die bald Berühmtheit erlangen sollte:
Professor Horace Wright Universität Harvard Cambridge, Massachusetts
Auf meiner Farm Colorado wahrscheinlich Knochen von prähistorischem Elefanten gefunden kein Geld für Ausgrabung biete Ihnen Erstrecht.
Levi Zendt
Professor Wright, immer auf der Suche nach Fossilien, donnerte mit dem nächsten Zug nach Cheyenne, anders kann man seine Reise nicht beschreiben. Bei seinen Zeitgenossen, vor allem bei seinen Gegnern, hieß er »Horace der Schreckliche«; der große, arrogante Mann hatte in Deutschland studiert und war mit der Tochter eines Textilmillionärs aus New England verheiratet. Fundorte besuchte er nicht, er überfiel sie, gemeinsam mit zwei Assistenten und möglichst der gleichen Anzahl Fotografen und Journalisten. Auch wenn er selber zur Schaufel griff, trug er Gesellschaftskleidung; die vielen Aufnahmen, die bei aufregenden Ausgrabungen immer wieder von ihm gemacht wurden, zeigten ihn niemals ohne Zylinder.
In Cheyenne mietete er vier Fuhrwerke, zwei Zelte und einen Koch und zog wie ein König nach Süden zu der Kalkklippe, wo er von Levi Zendt und Jim Lloyd erwartet wurde. Als sie in der Ferne eine Staubwolke erblickten, sagten sie: »Vielleicht wird er von der Armee eskortiert«, aber es war nur J. Horace der Schreckliche, der so reiste, wie er es gewöhnt war. Er befahl dem Fuhrmann, den Wagen möglichst nahe an den Hügel heranzuführen, und stieg dann majestätisch herab, ein Mann von über 1,80 Meter plus Zylinder. Mit sicherem Instinkt schritt er zu der Stelle, wo Levi den Knochen gefunden hatte, befaßte sich jedoch nicht im geringsten damit, sondern kniete nieder und studierte gute fünfzehn oder zwanzig Minuten lang das Untergrundgestein, aus dem der Knochen herausragte, und während er stocherte und klopfte, grunzte er
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