Colorado Saga
Diebstahl, es war irgend etwas sonst, was das Gesetz nicht definierte.
»Wir brauchen ein neues Gesetz«, grübelte Brumbauch, »wir brauchen ein neues Gesetz...« Schließlich stöberte er in dem kleinen Anwaltsbüro von Greeley jenen Mann auf, der es treffender ausdrückte: Ein neues Land braucht ein neues Gesetz. Joe Beck war Harvard-Absolvent, aber sonderbarerweise nicht imstande, auch nur einen Nickel zu verdienen, weil er sich immer wieder in fruchtlose Auseinandersetzungen verlor. Brumbauch aber sah auf den ersten Blick: Das war sein Mann. Er bot ihm ein anständiges Honorar.
»Ändern Sie das Gesetz«, sagte er zu Beck. Und der schäbige kleine Anwalt ging an die Arbeit.
Er entwarf ein brillantes neues Flußkonzept, das sich in der Hauptsache auf Brumbauchs Visionen stützte. »Die Flüsse und alles Wasser gehören dem Volk. Die Benützung des Wassers steht dem Mann zu, der es als erster seinem Grund und Boden und damit nützlichen Zwecken zuführt. Wenn A am Oberlauf des Flusses lebt und ihn Jahr für Jahr unbenutzt vorbeifließen läßt, und wenn B unten am Fluß lebt und frühzeitig einen Plan zu seiner Auswertung faßt, darf A zu einem späteren Zeitpunkt nicht eingreifen und Flußwasser abzweigen, so daß B weniger Wasser als bis dahin bekäme... Erster in der Zeit, erster im Recht.«
Man nannte es die »Colorado-Doktrin der Priorität und Übereignung«. In Staaten wie Virginia und South Carolina mit ihren unzähligen Flußläufen und so reichlichen Niederschlägen wie Europa war man daran überhaupt nicht interessiert. Aber die wasserarmen Staaten des Westens machten sie sich in der Erkenntnis zu eigen, daß es keine Alternative gab. Flüsse waren da, um genutzt zu werden - jeder Tropfen. Nur ein geplantes Vorgehen gewährleistete die beste Ausnutzung.
Ermutigt durch seinen ersten Erfolg, schritt Brumbauch alle Grundstücke am Platte ab, immer auf der Suche nach noch wirksamerer Nutzbarmachung des Wassers. Er folgte dem Poudre aufwärts bis zur Quelle. Er überquerte die Berge und erreichte das Tal, dessen Bäche den Laramie River speisten, der nordwärts nach Wyoming floß.
»Was für eine Vergeudung!« rief er, als er das frische, eisklare Bergwasser Colorado verlassen sah. Es müßte doch ein leichtes sein, einen Ableitungsstollen anzulegen. »Fünfzigtausend Dollar«, sagte er zu Beck, verschätzte sich aber um runde zweihunderttausend. Durch ihn konnte man Millionen Liter Wasser gewinnen, das in Wyoming niemand beachtete.
»Dieser verdammte Russe wird gefährlich«, grollten die Farmer von Wyoming und Nebraska, und sie engagierten ihrerseits Anwälte, um ihn fertigzumachen. Diese Herren erklärten vor Gericht: »Wenn es auf Brumbauch ankäme, dann würde nicht ein Wassertropfen Colorado verlassen.«
Die Beschuldigung war gerecht. Brumbauch wollte tatsächlich alles Wasser von den Westhängen der Berge in den Platte leiten - um Colorado zu bewässern. Zu gegebener Zeit würden sich sogar die Richter des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten mit seinen Zukunftsplänen herumschlagen müssen. Ein Anwalt aus Wyoming fragte das Gericht: »Was will dieser Mann wirklich? Den ganzen Westen umbauen?«
Wenn die Frage an Brumbauch gerichtet worden wäre, er hätte geantwortet: »Ja. Die einzige lohnende Aufgabe für einen ehrenhaften Mann ist, diese Welt umzubauen.«
Eines Nachmittags nahm er seinen Sohn Kurt beiseite und sagte zu ihm: »Melde dich morgen bei Joe Beck in Greeley. Du wirst Jura studieren.« Sein Sohn, damals achtzehn, machte Einwände. Er zöge es vor, auf der Farm zu arbeiten. Aber Potato dachte weiter: »Ein Mann, der die Farmarbeit kennt, kontrolliert die Melonen; der Mann, der das Gesetz kennt, kontrolliert den Fluß.« Und es war der Fluß, immer nur der Fluß, der auf lange Sicht das Leben bestimmte. So lernte Kurt Brumbauch die Maschen und Feinheiten des Gesetzes kennen, soweit sie sich auf Flüsse und vor allem auf den Platte bezogen, und vertrat später die Rechtsfälle seines Vaters vor dem Obersten Gerichtshof.
Potato selbst blieb bei seiner Farm. Und als es so weit war, daß das Wasser des zweiten Kanals voll genützt wurde, tat er sich mit einigen weitblickenden Männern aus Greeley zusammen, um einen dritten Kanal zu bauen. Aber diesmal überschritten die Pläne seine
Leistungskraft. Das Geld reichte nicht mehr. Er und Joe Beck rannten den Banken und New York die Türen ein. »Alles, was wir brauchen, sind bloß vier Millionen Dollar«, sagte Brumbauch
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