Colorado Saga
geringschätzig. Es kam nichts dabei heraus.
Brumbauch war zäh. Er belegte eine Kabine auf einem Cunard-Liner und fuhr nach London - von Seccombe aus Gefälligkeit mit allerhand Empfehlungsschreiben ausgestattet. Zwei Tage suggestiver
Überredungskunst und er hatte sein Geld. Als er zum erstenmal das klare, köstliche Wasser vom »Englischen Kanal« auf seine Grundstücke fließen sah, gebar er eine neue Idee: »In Rußland«, sagte er, »bauten wir auf einem Boden wie diesem Zuckerrüben. Warum nicht auch hier?« Und gab damit seinen Farmerkollegen neuen Anlaß zu Kopfschmerzen.
1881 bemächtigte sich Centennials eine ungeheure Aufregung. Seit zwanzig Jahren schon kämpften die Bürger darum, daß ihre Stadt an das Eisenbahnnetz angeschlossen würde. Vergebens. Die Union Pacific hatte sich, in ihrem Drang, die ganze Nation zu verbinden, ein starkes Stück geleistet. Entlang dieser ganzen Eisenbahnlinie gab es nur zwei volkreiche Städte, Denver und Salt Lake City; und die Union Pacific brachte es fertig, beide links liegenzulassen.
Von den frühesten Tagen an waren die Einwohner der Meinung gewesen, daß die Union Pacific eine Stichbahn von Julesburg entlang dem Platte nach Denver bauen sollte, aber die Gesellschaft dachte nicht daran. »Wenn einer von Omaha nach Denver fahren will«, sagten die Manager, »soll er doch unsere Linie nach Cheyenne und von dort die Straße nach Denver benützen. Und was den Rindertransport angeht - zur Hölle mit den Rindern!«
Jetzt aber verkündete die rivalisierende Burlington-Eisenbahn ihren Plan, eine neue Linie direkt nach
Denver zu legen, und zwar durch das menschenleere Land südlich des Platte. Da barst die Union Pacific plötzlich geradezu vor Unternehmungsgeist. Ausgehend von der ursprünglichen Linie bei Julesburg, trieb sie den Schienenstrang blitzartig westwärts, zehn, achtzehn, ja zweiundzwanzig Meilen am Tag. Geschickte Bautrupps, irgendwo ausgebildet, Iren und Chinesen, waren mit Eifer und Können am Werk und ließen die Schienen nur so über die Prärie gleiten. Wie ein riesiger Tausendfüßler kroch die neue Linie westwärts.
Als Centennial erreicht war, beobachteten die Einwohner das Legen der Schienen so hingebungsvoll und aufgeregt, als würde da ein Zirkuszelt aufgestellt. Drei einheimische Mädchen brannten mit Bauarbeitern durch. Hans Brumbauchs jüngere Tochter, ein flachshaariges Mädchen von dreiundzwanzig, war vernünftiger: Als ein Aufseher ihr nachstellte, bestand sie auf Heirat.
Die Schienen liefen das Nordufer des Platte entlang und bildeten eine Art Grenze des Stadtgebietes. Der Bahnhof wurde zu einem Brennpunkt des bürgerlichen Lebens, täglich passierten ihn mehrere Züge in beiden Richtungen; von seinem Telegrafenamt aus konnten wichtige Nachrichten schnellstens befördert werden. Das gesellschaftliche Leben konzentrierte sich bald auf das Railway-Arms-Hotel, das die Union Pacific nahe dem Bahnhof hatte errichten lassen.
Architekten rückten an, die an den Strecken der Union Pacific schon eine Reihe solcher Bauten errichtet hatten, und stellten in wenigen atemberaubenden Monaten ein noch größeres Hotel hin, mit vielen Zimmern, drei Speisesälen und einer verlockend ausgestatteten Bar. Der Bau kostete achtzehntausend Dollar; aber allein im Jahre 1883 brachte er der Gesellschaft einen Gewinn von
sechsunddreißigtausend.
Centennial war jetzt mit allen größeren Städten
Amerikas verbunden; damit hatte auch die VennefordRanch die Möglichkeit, ihre Rinder zu jedem beliebigen Markt zu verschicken. Geschlossene Güterwagen zu ihrem Transport wurden angeschafft.
Doch dann kam es zu einem ungeheuerlichen Vorfall, den kein Einwohner Centennials je vergessen sollte. Blitzartig verbreitete sich die Nachricht, daß ein Viehzüchter namens Messmore Garrett vier Güterwagen mit Tieren heranführte, die er auf dem offenen Land zur Aufzucht aussetzen wollte.
»Hier gibt es doch kein offenes Land«, sagte man, »hier gehört doch alles der Venneford-Ranch.«
»Es gehört ihr nicht. Es ist offen - wenn dieser Garrett sich dort halten kann.«
»Und wie zum Teufel soll er sich halten? Kannst du mir das sagen?«
»Er würde nicht herkommen, wenn er nicht eine Idee hätte, wie er das schaukeln kann.«
Das Telegramm lautete kurz und einfach:
Bagby Centennial - Ankommen Donnerstag vier Güterwagen mit Vieh.
Messmore Garrett - Cary Montana. Als die Waggons am Donnerstag nachmittag tatsächlich einliefen, war fast ganz
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