Colorado Saga
Liste haben wollen, in der j ede Kuh, die wir j e gekauft haben, angeführt ist, und er wird jede einzelne abhaken wollen.«
»Wird das denn möglich sein?«
»Nicht einmal dann, wenn wir tausend Cowboys hätten.«
»Also - was beunruhigt dich dann?«
»Er wird so lange suchen und wühlen, bis er jede Diskrepanz herausgefunden hat. Und am Ende wird er merken, daß so gegen vierundzwanzigtausend Rinder verschwunden sind.«
»Oliver! Um alles in der Welt... «
»Sie sind verschwunden, Charlotte. Niemand hat sie gestohlen, davon ist keine Rede. Sie sind einfach nicht da. Wie soll ich das einem Mann wie Perkin erklären?« Ja, wie nur? Perkin traf am 15. September 1886 in Cheyenne ein und bestand darauf, sofort zum Line Camp Vier gebracht zu werden. Er war ein kleines, dürres Männchen, Sechsundsechzig Jahre alt, und hatte so viel Gepäck mit, daß zwei Träger notwendig waren, es vom Waggon auf ein Fuhrwerk zu verladen. In den letzten achtzehn Jahren war er nie aus Bristol hinausgekommen, nicht einmal um seine Eltern in Kinkardinshire oder die Bankiers in London zu besuchen. Er hatte aber alle Berichte gelesen, hatte die Landkarten studiert und verfügte über eine erstaunlich genaue Kenntnis von Wyoming und Colorado.
»Ach ja«, sagte er mit dünner Stimme, als sie in der Kutsche über Land fuhren. Er hatte die Hände im Schoß gefaltet und blickte interessiert nach links und rechts. »Das ist die Union Pacific, und unser Grundstück, einundachtzig mal siebenundachtzig, liegt gleich da drüben. Ja, das ist der tiefe Brunnen, den wir
1881 gruben, und ich sehe, er funktioniert immer noch. Und da - ja, ja - das ist der neue Stacheldrahtzaun. Ist er in Ordnung?«
Er wußte auf eine Viertelmeile genau, wo sie sich nach Süden wenden mußten, um zum Camp zu kommen, und als sie sich diesem näherten, bemerkte er die neue Umzäunung und die Weiden, von denen die Rinder weggebracht worden waren. »Es ist ein Jammer«, sagte er, »ein großer Jammer, daß die Regierung uns dieses Verbindungsstück nicht verkaufen will.«
»Wir dürfen es immerhin benützen«, sagte Seccombe mit gespielter Heiterkeit.
»Benützen ist nicht dasselbe wie besitzen«, sagte Perkin schroff. »Ah, da ist ja auch schon das Tor zum Camp.«
Als die Kutsche vor dem Haus hielt, warf er keinen Blick auf die Unterkünfte, sondern ging sofort zu dem niederen, steinernen Wirtschaftsgebäude und inspizierte das Fachwerk und die Pferdeställe. »Guter, solider Bau«, sagte er. »1868, als Skimmerhorn Holz empfahl, riet ich zu Stein. Schauen Sie nur, wie es dasteht - als ob es erst gebaut worden wäre! Clinger hat gute Arbeit geleistet.«
»Wer?« fragte Seccombe.
»Clinger. Der Steinmetz von Cheyenne. Teuer, aber auf lange Sicht das billigste. Sagen Sie, bevor wir eintreten - weiden zufällig ein paar von den IllinoisKurzhörnern in der Nähe?«
»Sie sind alle im Osten.«
»Sehr gut.«
In den ersten drei Tagen, als Perkin seine Überprüfung vorbereitete, war alles, was er sehen wollte, gerade irgendwo im Osten oder im Westen. Aber das schien ihn offenbar nicht zu stören. Er notierte einfach in sein Notizbuch, daß die IllinoisKurzhörner zur Zeit im Osten grasten.
Er wollte alles wissen und erbrachte sehr bald den Beweis, daß er von dem komplizierten Ranchmanagement viel mehr verstand als Seccombe. Seine Fragen waren ruhig, nie herausfordernd; aber er bestand doch auf einer klaren Antwort, die er dann in sein Notizbuch eintrug.
»Er entdeckt jeden Mangel, jede falsche Eintragung«, sagte Oliver zu Charlotte am dritten Abend, als sie zu Bett gingen.
»Er scheint eine Anklage gegen dich aufzubauen, Oliver. Ich habe das deutliche Gefühl, daß er deine Angaben notierte, um sie später Skimmerhorn und Lloyd zu zeigen, damit sie gegen dich aussagen.«
Seccombe gab keine Antwort, denn auch er glaubte Perkins Spiel zu durchschauen.
»Was glaubst du, Oliver? Werden die beiden zu dir halten?« Keine Antwort. »Ich meine - können wir mit ihrem fairen Verhalten rechnen?« Keine Antwort. »Was ich meine, Oliver - wird es vorteilhaft für sie sein, uns zu verraten... Nein, das klingt ja, als ob du etwas Strafbares begangen hättest. Was ich meine, ist... «
»Ich weiß, was du meinst. Skimmerhorn und Lloyd sind die anständigsten Männer auf der Ranch. Es ist ihr Verdienst, daß wir so gut gefahren sind. Wenn nur diese verdammte Buchzählung nicht wäre, auf die Bristol sich verlassen hat.« Er schritt erregt auf und ab. »Können sie denn nicht
Weitere Kostenlose Bücher