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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Erinnerung gelöscht. Er konnte sich nicht mehr entsinnen, die Leiche in den Brunnen geworfen zu haben oder gar in Ohnmacht gefallen zu sein, als Sheriff Dumire mit leeren Händen wieder heraufgekommen war. Für ihn war die Episode zu einem Witz geworden. »Na komm schon«, sagte er oft zu seinem Sohn, wenn er merkte, daß Maude aus dem Fenster in die Richtung des Brunnens sah, »verrate mir doch, wo du ihn vergraben hast.«
    »Heute ist mein Geburtstag, Philip«, sagte er am 17. Januar 1904, als die Familie beim Frühstück saß. »Heute mußt du mir verraten, wo du ihn vergraben hast.« Philip stand vom Tisch auf und ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken.
    Einen Mann gab es, der auf Mervin Wendell in jeder Beziehung hereingefallen war: Mr. Norris von der Union Pacific. Nachdem die Broschüre veröffentlicht worden war, und die Eisenbahn immer mehr Anfragen bezüglich des Landkaufs an den Ufern des Platte River erhielt, kam Norris wieder in die Stadt. Er war unterwegs gewesen, um andere Gemeinden, die an der Strecke lagen, zu überreden, auch so verführerische und anreizende Druckschriften zu veröffentlichen, wie das Centennial getan hatte.
    Er kam auch bei Miß Keller vorbei. »Sie können stolz sein«, sagte er ihr. »Alle Eisenbahnen kopieren Ihren Text. Sie haben das wirklich sehr schön geschrieben.« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Natürlich hatten wir Glück, Sie und ich, daß wir auf einen so erfahrenen Landwirt wie Mervin Wendell gestoßen sind.« »Er hat nie Land bebaut«, gab Miß Keller zurück.
    »Er ist doch als Landwirt bekannt«, protestierte Norris. »Er hat immer mit der Autorität eines Fachmannes gesprochen.«
    »Er kann über alles mit der Autorität eines Fachmannes reden«, antwortete Miß Keller. Sie wollte Mervin Wendell nicht herabsetzen, nur charakterisieren, wie das eine gute Lehrerin zu tun pflegt.
    »Sie meinen, er hat nie sein Land bewirtschaftet?«
    »Er war Schauspieler... ein guter Schauspieler. Nehmen Sie ihn doch nach Omaha mit, und er wird Ihrem Präsidenten genau erklären, wie er seine Eisenbahn organisieren soll.«
    Miß Keller war schon eine alte Dame, fand aber immer noch Geschmack am Unsinn des Lebens. Sie stand auf, trat an Mr. Norris heran und ergriff mit der linken Hand seinen Arm. Mit der rechten zeichnete sie große phantasievolle Bilder an die Wand ihres kleinen Zimmers. »Herr Präsident«, deklamierte sie mit tiefer Stimme, »ich sehe Ihre Union Pacific in die Berge vorstoßen, den Berthoud-Paß überqueren, um Denver und Salt Lake City miteinander zu verbinden. Ich sehe riesige Menschenmassen...«
    Sie lachte und kehrte zu ihrem Stuhl zurück. »Wir haben heute einen Gesellschaftsabend im Gemeindehaus. Seien Sie dort mein Gast. Es ist hoch an der Zeit, daß Sie Mervin Wendell einmal singen hören.«
    Während Wendell und die Union Pacific immer mehr Bauern ins Platte-Tal brachten, die allesamt Zuckerrüben pflanzen wollten, um über ein leicht verkäufliches Produkt zu verfügen, erwies sich die Notwendigkeit, die Versorgung mit Arbeitskräften sicherzustellen, als immer vordringlicher. In seiner gewohnt schwungvollen Art entschloß sich Potato Brumbauch Anfang März 1906, wieder einmal einen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu leisten. Er kletterte in seinen Sechs-Zylinder Ford-Touringwagen, Modell K - es verstand sich von selbst, daß er als erster in Centennial ein Auto besaß, und ein großes noch dazu -, brauste nach Denver hinunter, fragte nach dem mexikanischen Viertel und stürmte in die Schenke, wo die Arbeiter die letzten schönen Wintertage vertrödelten.
    »Abend.«
    »Hola«, erwiderte einer der Mexikaner argwöhnisch seinen Gruß.
    »Ich bin Potato Brumbauch. Pflanze Rüben in Centennial. Habe drei gute Arbeitsplätze zu vergeben. Gute Bezahlung. Gutes Haus.«
    Die Männer musterten ihn mißtrauisch. Die Kellnerin beäugte den alten Mann, der Hosenträger und Gürtel trug. Aber sie lächelte nicht.
    »Na?« Keiner rührte sich.
    Er stand mitten in der rauchgefüllten Schenke, und sein Auge fiel auf einen hohlwangigen Mann, der allein in einer Ecke saß. Das schwarze Haar fiel ihm über die Augen, und er sah aus wie einer, der zu arbeiten verstand. Ohne auf die anderen zu achten, ging Brumbauch zu ihm hinüber, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: »Es ist ein guter Arbeitsplatz. Du solltest mit mir kommen.«
    Der Mann in der Ecke betrachtete die Hand, die ihm dargeboten wurde, dachte einen Augenblick nach, ergriff sie und stand

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