Colorado Saga
»Gleich morgen komme ich hinüber, um mich mit euch zu beraten. Ruft eure Leute zusammen. Überlegt euch, was ihr haben wollt. Morgen beim Dinner reden wir weiter... in Cortez.«
Am Tag darauf, dem 2. November, holte er mich schon früh aus dem Bett, tankte seinen grauen Buick an der Benzinpumpe der Ranch auf und machte sich auf den Weg in die Berge. Gerüchte über eine Treibstoffrationierung gingen um, und man sprach von einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf fünfzig Meilen in der Stunde. »Eine unmögliche Geschwindigkeit für den Westen«, murmelte er, während er den Wagen auf seine normale Reisegeschwindigkeit von achtzig brachte. Nach der Route, die wir geplant hatten, würden wir an diesem Tag etwa sechshundert Meilen zurücklegen, aber bei den ausgezeichneten Straßen, die kreuz und quer durch Colorado liefen, war das für einen Fahrer im Westen nur ein kleiner Ausflug. Westlich von Venneford nahmen wir die Autobahn, brausten nach Süden in Richtung Denver, umfuhren die Stadt und steuerten mit neunzig Meilen in der Stunde die Bergpässe an.
Das Fahren machte ihm Spaß. Sein Körper folgte den Bewegungen des Wagens, wenn dieser sich in die gut überhöhten Kurven schmiegte. Für ihn war es etwas Schönes, ein leise summendes Auto durch die Berge zu jagen. Er hielt den Fuß fest auf das Gaspedal gedrückt, während wir dem Eisenhower-Tunnel entgegenbrausten, dem höchstgelegenen Tunnel der Welt, der uns tief unter der kontinentalen Wasserscheide durchschleusen würde, um uns an seinem westlichen Ende in eines der lieblichsten Täler der Erde zu entlassen. Hier waren neue Skizentren errichtet worden, und er blieb kurz bei einigen stehen, um die Besitzer darauf aufmerksam zu machen, daß er von ihnen eine Beteiligung an den Feiern in der Form erstklassiger sportlicher Veranstaltungen erwarte.
In Vail, wo wir ein zweites Frühstück einnahmen, traf er mit sechzehn örtlichen Honoratioren zusammen, die ihn über ihre phantasiereichen Pläne für die Jahrhundertfeier informierten. Er schätzte die Bürger von Vail und zeigte sich von ihrer Tatkraft beeindruckt. Vor Jahren schon hatten die Ökologen ihre Besorgnisse geäußert, die starke Vermehrung von Wintersportplätzen könnte die Bergwelt zerstören, er aber war für den Bau von Skiliften eingetreten, denn er sah die Berge als Erholungsstätten für die Bewohner der Städte, die dem täglichen Zwang entfliehen wollten. Und er hatte das Richtige getan. Ein vernünftig angelegter Wintersportplatz verunzierte die Landschaft in keiner Weise, er machte nur mehr
Menschen die Schönheiten der Natur zugänglich -vorausgesetzt, daß ein genügend großes Gebiet im Urzustand belassen wurde. Wann immer die Pläne der Stadt diese Raumverteilung zu verändern drohten, mußte Garrett sie ablehnen.
»Wenn ihr neue Schlittenbahnen neben der Straße haben wollt, werde ich mich dafür einsetzen«, versprach er ihnen. »Was aber eure Pläne zur Kommerzialisierung der Seitentäler betrifft, muß ich Einspruch erheben.« Da er sich schon oft für sie eingesetzt hatte, akzeptierten die Bürger von Vail sein Veto. »Wir haben noch kein Budget, aber sobald wir es haben, werde ich Mittel für euch abzweigen«, versicherte er ihnen, bevor wir wieder in den Wagen stiegen. »Ihr macht es schon richtig.«
Wir schlugen einen Haken zurück nach Fairplay, einem wunderschönen, von Bergen umschlossenen Ort, und dort forderte Garrett die Gemeindeväter auf, ihm ihre Ideen vorzutragen. Dann überquerten wir eine ganze Reihe von unansehnlichen Brücken, unter ihnen flossen die winzigen Rinnsale dahin, die den Oberlauf des Platte bildeten. Hier, hoch oben in den Rockies, bewässerten diese klaren Bächlein die Bergwiesen, und es fiel dem Beschauer schwer, zu glauben, daß sie sich zu der schlammigen Schlange vereinigen konnten, die über das Flachland kroch.
Nun kam einer der schönsten Teile der Fahrt. Über eine zu beiden Seiten von riesigen Bergen gesäumte, kerzengerade Straße ging es in südlicher Richtung durch jene reizenden Täler, die nur wenige Reisende zu Gesicht bekommen. Er fuhr mit fünfundneunzig Meilen Stundengeschwindigkeit, und als im Osten die Sangre de Cristo Range vor uns auftauchte, sprach er über Tranquilino Marquez. Er hatte ihn noch persönlich gekannt und sich von ihm erzählen lassen, welchen Eindruck diese Straße durch die Wüste auf ihn gemacht hatte, damals, als er das erste Mal aus Mexiko nach Norden gekommen war, um in Centennial auf den Rübenfeldern zu
Weitere Kostenlose Bücher