Colorado Saga
Tim.«
»In diesem Fall werde ich darauf sehen, daß Sie bestens bedient werden.« Als er fort war, ging Garrett zu seiner Frau hinauf. »Ich habe es getan«, berichtete er ihr. »Wir verkaufen die Hälfte unserer HerefordStiere.«
Sie hatte nie viel von der Viehzucht verstanden und war daher nicht in der Lage, die Bedeutung dieser Entscheidung ihres Mannes richtig einzuschätzen, aber sie wußte, was er für die Weißgesichter empfand. »Mit der Zeit werden uns die neuen Tiere ebenso ans Herz wachsen«, versuchte sie ihn zu trösten, doch das half ihm nicht viel weiter, und so küßte er sie, verließ das Schloß, sattelte sein Pferd und ritt auf die Weiden hinaus.
Wie sich doch die Geschichte wiederholt! dachte er. Vor hundert Jahren waren es die englischen Millionäre, die ihre Gewinne aus den Geschäften mit Textilwaren dazu verwendeten, große Viehwirtschaften aufzukaufen und die Herefords in Amerika einzuführen. Heute sind es Ölmillionäre aus Texas und Ärzte aus Chicago, die ihre Steuerdollar dazu
verwenden, die gleichen Viehwirtschaften aufzukaufen und Simmentaler Rinder einzuführen. So oder so, es sind immer die gleichen Herren über ein Land, das sie kaum kennen und nur zu Anlagezwecken erwerben.
Als er auf die Weiden kam, wo seine Stiere grasten, machte er sich an die schmerzliche Aufgabe, zu entscheiden, welche er behalten und welche er in die
Wurstfabrik schicken würde, doch nachdem er
neunzehn Stiere in Augenschein genommen hatte, verurteilte er einen zum Tod und begnadigte achtzehn. »Zum Teufel«, brummte er, »das soll ein anderer bestimmen.« Er ritt davon, wandte sich aber noch einmal um und warf einen letzten Blick auf die
stattlichen Tiere, deren Hörner sich zu den Augen hinab krümmten. Sie hatten noch nie so schön ausgesehen. »O Gott«, murmelte er, »ich hoffe, ich mache keinen Fehler, wenn ich sie verkaufe.«
Frühmorgens, Sonnabend, den vierundzwanzigsten November, sandte der Gouverneur Garrett durch einen Eilboten den Vorabdruck eines Berichtes, der von einer Gruppe kanadischer, in Montreal ansässiger Wissenschaftler verfaßt worden war. Der Bericht trug die Vermerke »Vertraulich« und »Was halten Sie davon?« Es war für Garrett eine faszinierende Lektüre. Er hatte gerüchteweise gehört, daß eine solche Studie zusammengestellt wurde, und sich die Frage vorgelegt, wie sein Staat wohl dabei abschneiden würde. Er hatte erwartet, Colorado im Mittelfeld zu finden, doch die tatsächlichen Ergebnisse verblüfften ihn.
Die Wissenschaftler hatten sich ein einfaches Problem gestellt: »Welcher der fünfzig Bundesstaaten bietet seinen Bewohnern die beste und welcher die schlechteste Lebensqualität?« Dazu hatten die Wissenschaftler zweiundvierzig Kriterien ausgewählt. Wie viele Zahnärzte kommen auf tausend Einwohner? Wie viele Spitalbetten kommen auf tausend Einwohner?
Wie viele Meilen sauberen, fließenden Wassers kommen auf tausend Einwohner?
Wie viele Bücher in öffentlichen Bibliotheken kommen auf tausend Einwohner?
Wie viele Quadratmeilen Naturschutzgebiet kommen auf tausend Einwohner?
Zu seiner großen Überraschung stellte Garrett fest, daß Colorado den ersten Platz in der Liste einnahm! Dann kam Kalifornien, dann Oregon, Connecticut, Wisconsin und Wyoming. Die untersten Ränge entfielen auf die Südstaaten, die sich bis vor kurzem geweigert hatten, Geld für Parkanlagen, Sportplätze und Bibliotheksbücher auszugeben. Sie hatten gefürchtet, daß all dies den Schwarzen zugute kommen könnte.
Diese Reihung würde für Colorado zu einem ernsten Problem werden. Sobald der Bericht veröffentlicht war, würden sich Tausende von Menschen, die bis jetzt nur die vage Absicht gehabt hatten, nach Colorado zu übersiedeln, ermutigt fühlen, diese Absicht in die Tat umzusetzen. Von der Überlegung ausgehend, daß mit diesem Problem sich andere auseinandersetzen würden, wollte Garrett den Bericht schon zur Seite legen, als er bemerkte, daß der Gouverneur eine der Fußnoten angekreuzt hatte. Da hieß es:
»Colorado würde in dieser Gegenüberstellung noch besser abschneiden, triebe der Staat nicht so schändlichen Mißbrauch mit einem seiner bedeutendsten Naturschätze, dem Platte River. Auf seinem Weg durch Denver erfährt dieser Strom die Behandlung eines öffentlichen Abwasserkanals. Sein Zustand spottet jeder Beschreibung. Und der Verdacht liegt nahe, daß sich weder in der Legislative
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