Colours of Love
ihm.
8
Es ist anstrengend und nimmt kein Ende. Niemals hätte ich gedacht, dass Jonathan Huntingtons Tage so angefüllt sind mit Arbeit. Ich darf tatsächlich überallhin mit, zuerst zu einem Treffen mit einem jungen Geschäftsmann, der gerade ein Patent auf eine neue Art von Computer-Leiter-Element angemeldet hatte – das stand in dem Bericht, den ich nur überfliegen konnte – und für den Huntington Ventures jetzt einen passenden Investor sucht, um die Idee umzusetzen und profitabel zu machen. Es folgen andere Termine, zwei Sitzungen im Haus, bei denen die einzelnen Abteilungen ihn über die aktuellen Entwicklungen informieren, ein kurzes Mittagessen in einer schicken Sandwich-Bar ganz in der Nähe der St. Paul’s Cathedral, zu der uns sein Chauffeur Steven in der Limousine fährt und bei dem ich wieder Berichte lesen muss, während er mit dem Handy telefoniert. Dann zwei weitere Treffen, diesmal mit Investoren, und anschließend noch der Besuch einer Galerie in King’s Cross, wo er die Ausstellung eines jungen Künstlers eröffnet, der von der zum Huntington Ventures-Imperium gehörenden Kunst-Stiftung gefördert wird.
Und je länger es dauert, desto faszinierter bin ich. Jonathan Huntington kann hart verhandeln, wenn es darauf ankommt, das hatte ich erwartet, denn dieser Ruf eilt ihm voraus. Aber er steht wirklich hinter dem, was er tut, setzt sich für alle Projekte ein, die er übernimmt, und es ist seine entschlossene Art, die oft den Ausschlag gibt und das Geschäft für Huntington Ventures entscheidet.
Außerdem geht sein Engagement wesentlich weiter, als ich dachte. Er ist nicht nur ein Geschäftsmann, er ist ein Kunstmäzen, der junge Talente fördert, vor allem in der bildenden Kunst und der Musik. Er tut es im Namen der Firma, aber man spürt, dass ihm das am Herzen liegt.
Überall, wo wir hinkommen, stellt er mich als seine Assistentin vor, und keiner hinterfragt das, so wie ich es befürchtet hatte. Im Gegenteil. Die Leute begegnen mir sehr respektvoll und höflich, vorsichtig fast, und irgendwann wird mir klar, dass sie nur die Art, wie sie ihn behandeln, auf mich übertragen.
Nach der Ausstellung fahren wir nach Hackney zu einer Besprechung über ein Bauprojekt, an dem neben Huntington Ventures auch noch mehrere andere Geldgeber beteiligt sind, und die Konferenz zieht sich in die Länge. Es ist schon nach sieben, als wir endlich wieder in seinem Büro sind, und ich merke, dass ich wirklich müde bin. Der Jetlag macht mir zu schaffen. Aber noch ist der Tag nicht vorbei, Jonathan will um acht Uhr noch jemanden zum Essen treffen, und ich soll ihn auch dorthin begleiten. Annie fällt mir wieder ein, die ja auf mich warten wollte.
»Darf ich mal telefonieren?«
Jonathan deutet auf den Apparat auf seinem Tisch, und ich wähle hastig Annies Durchwahl. Sie ist nicht begeistert, als ich ihr sage, dass sie ohne mich fahren soll.
»Was treibst du denn da oben noch?«, will sie wissen, aber da Jonathan an seinem Schreibtisch sitzt und ich davor stehe, kann ich ihr nicht richtig antworten.
»Es ist nur noch ein Termin«, versichere ich ihr. »Aber ihr braucht nicht mit dem Essen zu warten. Erklärst du mir noch mal, welche U-Bahn ich nehmen muss?«
»Sie brauchen nicht mit der U-Bahn zu fahren, Steven bringt Sie nachher mit der Limousine nach Hause«, mischt Jonathan sich ein.
Ich höre den Befehlston, der auch diese Ankündigung begleitet, doch diesmal stört es mich nicht, weil ich wirklich erleichtert bin. Dann muss ich mir nicht allein den Weg nach Islington suchen, wofür mein müder Körper sehr dankbar ist. »Nein, Annie, erklär’s mir nicht, es ist nicht nötig, ich …«
»Schon gut, ich hab’s gehört«, sagt sie, und ich sehe die steile Falte förmlich vor mir, die auf ihrer Stirn entsteht, wenn ihr etwas nicht gefällt. »Du denkst dran, was wir besprochen haben, ja?«
»Ja, mach ich. Bis nachher dann.« Hastig lege ich auf, damit sie nicht noch mehr sagen kann. Dann hole ich mir die Papiere, die ich noch lesen will, bis wir zum Essen losfahren, und lasse mich in den Besucherstuhl sinken. Der Weg bis zurück zur Couch erscheint mir einfach zu lang.
Eine Weile arbeiten wir schweigend, aber ich merke, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren kann. Die Buchstaben verschwimmen immer wieder vor meinen Augen.
Irgendwann lasse ich den Bericht sinken, den ich in der Hand habe, weil es einfach keinen Zweck mehr hat. Jonathan sieht von seinen Unterlagen auf, als ich das tue, und
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