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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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noch, wenn ich Hummer mit dicken
grünen Bohnen mag?“
    „Hunger?“
    „Nein.“
    Spencer holte ein kleines Sprechfunkgerät aus
der Tasche und keine Minute später stand der Oberkellner mit der Speisekarte
vor mir. Spencer schlug routiniert das Fischangebot auf.
    „Hummer, Bohnen, ein leichter Salat. Ich
persönlich neige zu einem jungen Grauburgunder aus Meißen.“
    Lilys Foto lag auf meinem Schreibtisch.
    „Und wie geht es jetzt weiter?“
    „Wir sehen uns morgen. Mit Beschluss. Ganz
diskret natürlich.“

32
    Der Plattenbau an der Wilhelmstraße war der
letzte seiner Art, zumindest im Regierungsviertel. Keiner konnte erklären,
warum er nicht schon längst zermahlen als Straßenunterbau diente. Lindgrüne Wandfarbe
zierte das Treppenhaus, ein Relikt vergangener realsozialistischer
Herrlichkeit. Das oberste Stockwerk machte auf den ersten Blick wenig her. Einzig
die moderne Glastür ließ erkennen, dass sich etwas geändert hatte in den
letzten eineinhalb Jahrzehnten. Sie gab den Blick frei auf einen Gang, von dem mehrere
Büros abgingen, alle mit Blick aufs Regierungsviertel. Linkerhand ein massiver Tresen
aus Buchenholz mit diskret eingearbeiteter Videoüberwachungsanlage.
    Für einen zufälligen Beobachter schien hier
eine der dot.com-Firmen, die den Zusammenbruch des neuen Marktes überlebt
hatten, zu residieren: die „Systemtechnologie GmbH“.
    Was dem ungeübten Auge verborgen blieb: Die Tür
war aus massivem Panzerglas und widerstand problemlos dem Beschuss mit leichter
Artillerie. Die Fenster waren spezialbeschichtet und abhörsicher, die wenigen handverlesenen
Mitarbeiter mussten sich um ihre Zukunft keine Sorgen machen. Sie gehörten zu
den Besten und waren nicht mit der Aussicht auf eine ruhige Beamtenkarriere
geködert worden. Wer hier einstieg, tat das, weil es noch mehr im Leben gab als
Geld: Abenteuer und Macht.
    Am Ende des Ganges eine massive Doppeltür ebenfalls
aus Buche, doppelt verankert mit einem unsichtbaren Innenleben aus Karbon. Sie
sicherte den Zugang zum sogenannten Konferenzraum. Hinter der Schwelle begann
eine andere Welt, eine jenseits des üblichen Datenschutzes oder hinderlicher
Telekommunikationsgesetze. Die Stirnseite zierte eine Wand mit 36 Monitoren, jede
Überwachungskamera der Polizei konnte direkt angewählt werden. Außerdem gab es
einen Zugang zu den privaten Sicherheitssystemen der großen Hotels und Tagungszentren.
Nicht zu vergessen die Mautstationen auf der Stadtautobahn und die Überwachungsanlagen
auf Flughäfen und Bahnhöfen.
    Durch eine unscheinbare, glatt mit der
Seitenwand schließende Tür, kam man ins Herz der Etage: In einem schalldichten,
klimatisierten Raum steuerte eine Armada von Servern den Zugang zu den verschiedenen
Überwachungssystemen und die pausenlose Aufzeichnung und Auswertung aller
Quellen.
    Die Mitte des Konferenzraumes markierte ein
ovaler Tisch mit 15 Arbeitsplätzen, eingelassenen Monitoren und ausziehbaren
Tastaturen.
    Momentan waren nur drei Plätze besetzt. Die
zwei Männer und die Frau wirkten ein wenig verlassen in der Weite des Raumes. Der
kurz geschorene Grauhaarige, Anfang fünfzig, führte unübersehbar den Vorsitz. An
seiner Seite ein unscheinbarer junger Mann mit mittellangem Haar, der sich beim
Sprechen immer wieder mit der rechten Hand über den Scheitel fuhr.
    „Gut, wir hatten einen Systemausfall, die Hitze.
Dass das irgendwann passieren wird, haben alle gewusst. Und wir haben kein
back-up, den Notstrom haben die Haushälter ja damals gestrichen. Deutschland
eben, auf der einen Seite können es nicht genug Millionen sein und auf der
anderen wird an 3,50 Euro gespart.“
    „Mein lieber Herr Reutter, wenn mich Ihre
persönliche Meinung zu Etatproblemen interessiert, dann lasse ich es Sie wissen.“
Der Grauhaarige war gereizt: „Wie wäre es mit einem Sachstandsbericht, bevor
Sie mich weiter an den Unzulänglichkeiten der Welt teilhaben lassen.“
    „Gut, der Händler und die Zielperson sind gegen
20:30 Uhr im Penthouse eingetroffen. Dann kamen die Nutten. 21:35 Uhr, ebenfalls
über den separaten Lift. Das war Donnerstag vor zwei Wochen. Eine weitere Person
hat der Chauffeur dann gegen 21:50 Uhr gebracht. Wir haben einen Schnappschuss aus
der Tiefgarage, taugt jedoch nicht viel. Der Fahrer kannte die Kameraposition
und hat sich ganz bewusst ins Bild gestellt. Aber die Person, sehr
wahrscheinlich eine Frau, war jung. Sie ist gestolpert und wir haben ein
Profilbild, undeutlich, aber besser als gar nichts. Der

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