Coltan
bekannt vor, aber sein Name wollte mir beim
besten Willen nicht einfallen. Hilfe suchend sah ich zu Mader.
„Danke Karl.“
Karl nickte und setzte seine Suche nach
Beweisstücken fort. Die Frau erinnerte an eine Mumie aus einem prähistorischen Sitzgrab.
Ihr Slip hing in den Kniekehlen. Sie war wohl zuerst nach hinten gefallen und
dann auf die Seite gekippt, mit angezogenen Knien.
„Susanne Berthold, 21 Jahre. Todeszeitpunkt:
irgendwann nach Mitternacht, nicht später als zwei.“
Ich stutzte kurz, da hielt Schneiderhannes mir
schon eine kleine Tasche entgegen. Ausweis, Portemonnaie, Handy, Schlüssel und
eine bunte Auswahl an Präsern.
„Stand unter der Bank.“
„Sieht ganz nach Kurfürstenstraße aus.“
„Was, noch eine Nutte?“ Martens war nicht
erfreut. „Hoffentlich keine Serie.“
Ich schüttelte den Kopf. Nichts, aber auch gar
nichts hatte dieser Fall mit Lily zu tun.
Schneiderhannes hockte neben der Toten und drehte
ihren Schädel vorsichtig mit beiden Händen, sodass wir ihr Gesicht sehen
konnten: „War bestimmt ihr erster Kontakt mit asiatischen Kampftechniken. Sieht
ein bisschen überrascht aus, oder?“
Ich gehörte nicht zu denen, die glaubten, dass
sich die letzten Momente im Leben eines Menschen in den erstarrten Gesichtszügen
widerspiegeln. Dennoch überlegte ich oft, wem der letzte Gedanke, der letzte
Blick der Toten gegolten haben könnte. Wen oder was hatte diese junge Frau als Letztes
gesehen? Den Mörder? Eine große, blitzende Klinge?
Der Täter beherrschte sein Handwerkszeug. Kein
Anfänger. Er wollte töten, mehr nicht.
Aber warum sie? Ein Zufallsopfer? Ein
Psychopath? Hätte es jede treffen können? Nichts deutete auf einen ausgeklügelten
Plan. Mutmaßungen und Fragen, sicher war nur, dass sie irgendwann in den nächsten
Wochen eingeäschert werden würde.
„Dafür braucht man was besonderes, etwas sehr
scharfes, technisch gesehen. Könnte ein Samurai-Schwert gewesen sein.“ Schneiderhannes
wies mit der Hand auf die Bank, auf der eine Linie eingetrockneter Bluttropfen
zu erkennen war: „Sauber abgeschnippt. Danach spült der Liebhaber die Klinge mit
klarem Wasser ab. Aber er hatte nur einen feuchten Lappen. Hier, der lag im
Papierkorb.“
Der Fachmann schätzt das Ritual des gebildeten
Kämpfers, weil es einer Botschaft gleichkommt: Nicht der Wahnsinn treibt mich,
sondern die Pflicht! Aber welche, wo lag das Motiv.
Nachts waren hier nur Partygänger unterwegs,
Leute, die es eilig hatten, eine Abkürzung nahmen. Aber noch nicht um
Mitternacht, zu früh. Augenzeugen? Da müssten wir schon sehr viel Glück haben.
Im Büro am Columbiadamm kippte ich ihr
Täschchen auf den Schreibtisch. Make-up, Lippenstift, Feuerzeug, ein Streichholzheftchen
aus dem „Four Palms“.
Mader suchte die Daten aus dem Computer: Sie
kam aus Bielefeld. Ihre Eltern wohnten immer noch dort. Manchmal war das
Schicksal gnädig und so blieb uns der Weg zu den Angehörigen erspart. Die Kollegen
vor Ort sahen das naturgemäß anders.
Ein Techniker las die Nummern aus dem Handy aus.
Jetzt kam die Anfrage bei der Telefongesellschaft, um die Anschlussinhaber zu
identifizieren. Meist beharrten die Mobilfunker auf einer richterlichen Anordnung,
aber Mader leierte ihren Text von der toten Hure so professionell und
desinteressiert herunter, dass ihr Gesprächspartner den Eindruck haben musste, für
tote Nutten sei gerade der Datenschutz aufgehoben worden. Vielleicht lag es
auch an der Hitze, jedenfalls kamen die Verbindungsdaten der letzten sechs
Wochen dreißig Minuten später per E-Mail. Pizzaservice, eine Frauenärztin und
ein Friseur in der Friesenstraße. Einige Männer und Frauen aus dem Milieu.
Auffällig war nur eine Nummer. Vorwahl Großbritannien, drei Anrufe: Montag vor
drei Wochen, dann wieder am darauf folgenden Donnerstag gegen 18 Uhr und noch
einmal am Freitag. Der Techniker übernahm die Recherche, es würde dauern,
Ausland eben.
Die Füße auf dem Schreibtisch spielte ich mit
dem Streichholzbriefchen. Mader lief die Kurfürstenstraße ab, das würde bis in
den späten Abend dauern.
„Four Palms?“, eines der nobelsten Häuser. Ich
riss ein Holz an und starrte in die kleine Flamme. Ein Andenken an ihren
letzten Kunden? Keiner ist so blöd und lädt eine Nutte ein, um sie dann beim
Pinkeln abzuschlachten. Manchmal merken sich die anderen Mädchen die Autonummern,
wenn sie nicht völlig zugedröhnt sind.
Mit einem metallenen „Ping“ signalisierte der
Computer den Eingang einer
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