Coltan
Abgleich mit den
Datenbanken blieb erfolglos, wir kennen sie nicht. Und dann kam der Black-out.“
„Weiter.“
„Gegen 23:30 Uhr war das System wieder
arbeitsfähig, zum Teil jedenfalls. Wir haben die Aufzeichnungen der
Lobbykameras. 23:45 Uhr, die beiden Nutten rennen fast durch die Lobby, allein.
Die Größere hat die andere hinter sich hergezogen, wahrscheinlich war sie
zugedröhnt. Jedenfalls sind sie in ein Taxi, das hat sie dann Schlesische
Straße abgesetzt und weg waren sie. Zwei Wochen später ist die größere Frau gegen
21:30 Uhr wieder in den Lift gestiegen, vergangenen Donnerstag also. Unser
Händler war auch da. Zwei Stunden später ist Tarnowski dann gegangen. Wo die
Frau geblieben ist, wissen wir nicht. Sie hat das Hotel weder durch die Garage
noch durch die Lobby verlassen.“
Die Frau auf der anderen Tischseite räusperte
sich.
„Ja?“, der Grauhaarige musterte sie.
„Zwei Tage später hat die Polizei das Bild
einer Toten veröffentlicht. Wir glauben, dass es sich dabei um die Frau aus dem
Hotel handelt. Und heute Morgen haben sie noch eine Leiche gefunden,
enthauptet. Das war ihre Begleiterin vor zwei Wochen.“
Die Frau drückte auf einen Knopf und auf der
Monitorwand erschien ein blutiger Halsstumpf mit einem an einigen Fasern
hängenden Kopf. Der Grauhaarige blickte nur kurz zur Seite.
„Wir haben das System angezapft?“
„Nein, aber wir kennen da wen, der jemanden
kennt. Ein Pressefoto, würde ich sagen, inoffiziell.“
Reutter blätterte in einem Aktendeckel: „Sie
ermitteln, gehen in beiden Fällen von Mord aus. Was beim letzten Fall kaum
verwundert. Mehr wissen wir leider nicht. Es sind zwei: Kriminalhauptkommissar Jonathan
Gallert, 44 Jahre und Julia Mader, 27. Die beiden arbeiten seit zwei Jahren
sechs Monaten zusammen. Gallert gilt als introvertiert, hartnäckig und erfolgreich.
Die Kleine scheint recht zäh und intelligent zu sein, soll demnächst befördert
werden. Ich glaube, sie haben was miteinander. Jedenfalls hat sie letzte Nacht
bei ihm logiert. Ach so, noch was. Gallert klappert die Hotels ab, war heute
auch im Four Palms und hat sich mit dem Concierge unterhalten.“
„Scheiße.“
Der Grauhaarige starrte auf seinen Stenoblock:
„Warum wissen wir nicht, was die haben und wonach sie suchen?“
„Weil da nichts ist, jedenfalls nichts, an das
wir rankommen. Der Typ schreibt keine Berichte, jedenfalls nicht auf seinem
Bürocomputer. Es gibt bislang nur ein Aktenzeichen. Den Autopsiebericht müssen
wir noch besorgen. Wir könnten das Büro verwanzen?“
Ahrendt zog die Augenbrauen hoch: „Soweit sind
wir noch nicht.“
33
Die Vergangenheit bestimmt unsere Zukunft. Wer
versucht, ihr zu entfliehen, wird unweigerlich an ihr zerbrechen. Ich kannte
meine Dämonen, wir waren auf Du und Du.
Lily saß mir gegenüber, die Zeitung verdeckte
ihr Gesicht.
„Jonathan, sag mal, was wäre eigentlich, wenn
wir zufällig mal jemanden treffen, der Dich kennt und Du mich vorstellen musst?“
Sie ließ die Zeitung sinken und sah mich an. Ich
rührte in meiner Tasse und dachte nach.
„Wie wäre es mit: Das ist die Frau, mit der ich
alt werde!“
Lily lächelte: „Und wenn wir gefragt werden,
womit ich mein Geld verdiene?“
„Ganz einfach: Sie hat lange Zeit für viel Geld
reiche Männer gefickt.“
Sie riss empört die Augen auf.
„Deine Worte!“
„Niemals!“
Ihr Gesicht verschwand wieder hinter der
Zeitung.
„Sag mal, bist Du manchmal eifersüchtig?“
Statt einer Antwort wanderte meine linke
Augenbraue langsam nach oben, das musste reichen, für Schwüre war es noch zu
früh.
Lily legte die Zeitung weg, kam um den Tisch und
setzte sich auf meinen Schoß: „Dazu besteht auch kein Anlass. Lass mir noch
etwas Zeit.“
Lilys Leben war weitgehend tabu. Darin ähnelten
wir uns. Wir hatten beide keine Jobs, über die man gern am Frühstückstisch plauderte.
Das verband und zwang uns zu einem eigenen Leben, das gefüllt werden wollte und
nicht im ewig lamentierenden Wiederholen alltäglicher Bürogeschichten dahin floss.
Unser Alltag blieb da, wo er hingehörte: draußen vor der Tür. Eine Illusion von
bescheidener Dauer? Ich wusste es nicht und dachte kaum darüber nach.
Wenn sie da war, übernahm sie die Wohnung, als
wäre es ihr zu Hause. Lily putzte, kochte oder saß auf dem Balkon. Und sie war
randvoll mit Leben. Zu ihrem Reisegepäck gehörte eine kleine Leihbibliothek.
Sie zwang mich zu lesen, schleppte mich durch Galerien und referierte
Weitere Kostenlose Bücher