Coltan
unseren Köpfen. Er spielte – mit
mir, und er ließ sich Zeit.
„Sie haben einen Informanten.“
Pause, Rauchwolken.
„Ich will wissen, wie weit er drinsteckt und ob
wir ihn benutzen können. Das ist doch kein Ludenkrieg, oder?“
Er blies weiter Rauchwolken in den Sommerhimmel
und ich versuchte, ihn so verständnislos wie möglich anzusehen. Was war
geschehen? Hatten wir einen Fehler gemacht, etwas in den Bericht geschrieben, was
nur ich wissen konnte?
„Passen Sie auf Gallert. Was Sie Martens
erzählen, ist das Eine. Ich weiß nicht, welche gutmütige Entsorgungswelle ihn
hinter diesen Schreibtisch gespült hat. Aber ich denke, irgendein verständiger
Mensch hatte Höheres im Sinn, als er ihn aus dem operativen Geschäft entfernte.
Und es hätte wahrlich schlimmer kommen können.“
Dann beugte er sich über den Tisch und schaute
mir in die Augen: „Irgendwas läuft doch da.“
Ich versuchte Zeit zu gewinnen, zündete mir
eine Zigarette an, aber nichts geschah, kein rettender Gedanke, nichts. Die
Wahrheit? Die kann er mir nicht durchgehen lassen, nicht mal beim inoffiziellen
Bier.
„Es gibt einen Informanten.“
Hanschke sah mich reglos an und wartete.
„Von ihm kam der Tipp, dass sie als Hostess
gearbeitet hat. Und, dass sie Ärger mit einem Kunden hatte, im Four Palms .
Mehr wusste er auch nicht, keine große Hilfe.“ Nein, hilfreich war ich in der Tat
nicht.
„Und was ist mit dem Penthouse?“
Die Frage irritierte mich. Hanschke tat so, als
handele es sich um ein stadtbekanntes Wahrzeichen.
„Ja, wir gehen davon aus, dass Lily, die frau
aus dem Kanal, öfter dort war. Sie soll einen festen Kundenstamm bedient haben,
alles auf Terminbasis.“
Wirklich? Ich stellte fest, dass ich nie
darüber nachgedacht hatte. Hatten wir etwa eine
14-Tage-nach-Donnerstag-Beziehung geführt? Wie lange ging das schon?
„Und die andere?“
„War wohl eher zufällig da. Vielleicht für
einen flotten Dreier.“
Hanschke blies Kringel.
„Und mehr hat der Informant nicht zu bieten?“
Dieser Mann hatte nicht nur Instinkt, er hatte
das dritte Auge und ich hätte gern gewusst, was er jetzt sah.
„Schade, schade …“
Er blies neue Kringel und schien auf meine
Fragen zu warten, also tat ich ihm den Gefallen: „Und was wissen Sie über das
Penthouse ?“
„Na, das Übliche: separater Zugang. Perfekter
Platz für Leute, die ungestört sein wollen.“
„Sie meinen …“
„Ich meine gar nichts, dafür werde ich nicht
bezahlt.“
„Das heißt, wenn ich morgen den Beschluss habe?“
„Dann könnte es sein, dass sich Ihr
Freundeskreis blitzschnell vergrößert. Sie wildern da in einem sensiblen Revier.“
„Und die Bilder der Überwachungskameras?“
Hanschke sah mich an: „Werden wahrscheinlich
nicht sehr viel weiterhelfen. Aber, schaden kann es keinesfalls. Zumindest
sorgen wir für Unruhe.“
Er griff nach seinem Bierglas, trank, wischte
sich den Schaum vom Mund und stand auf: „Danke für die Einladung.“
Schon über den Bürgersteig davoneilend drehte
er sich noch einmal um, kam zwei Schritte zurück: „Ach ja, vergessen Sie das
mit dem Informanten. Wir kommen auch ohne ihn klar.“
Ich lehnte mich zurück und schwieg. Ahnung?
Bluff? Ich war sprachlos. Hanschke huschte davon, ohne sich noch einmal
umzudrehen. Meine Reaktion interessierte ihn nicht. Er hatte wohl, was er
wollte.
Plötzlich brach mir der Schweiß aus allen
Poren, meine Stirn glühte, die Hände zitterten. Ich versuchte, eine Zigarette
anzuzünden, erfolglos. Nach dem dritten Zündholz kam die Kellnerin mit ihrem
Feuerzeug. Sie blickte auf mein leeres Glas, ich nickte und bestellte einen
Whisky dazu.
Nach einer halben Stunde ging es mir besser. Aufgelaufen
zwar, aber vorerst doch behütet und sicher, und voller Rachsucht. Rachsucht,
ja, langsam wachsende Rachsucht. Ich durfte den Fall nicht verlieren. Ich
hoffte, dass Mader im entscheidenden Moment alles regeln würde, denn in meinen Albträumen
war ich allein mit Lilys Mörder.
41
Zu Fuß lief ich in die Sophienstadt, vorbei an
den ersten Bordsteinschwalben dieses Abends. Seit Jahren nehme ich diesen Weg,
meist allein. Viele kennen mich und nicken mir freundlich zu, nie ohne den
fragenden Blick „Heute vielleicht?“
Den Blick auf den Boden gerichtet, schlängelte
und rempelte ich zwischen Hundehaufen und Gaffern hindurch und stand endlich
kurz nach neun vor meiner Haustür. Die Straße war ungewöhnlich belebt, Backpacker
mischten sich unter Reisegruppen, die
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