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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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Außerdem wird er bald erkennen,
dass sie donnerstags des Öfteren im Penthouse war – und dann? Was hilft ihm
das? Sie ist letzten Donnerstag wie üblich rein. Schluss, aus. Mehr gibt es
nicht.“
    Plötzlich rauschte es.
    „Er ist im Bad. Das Mikro direkt über der Tür
auf dem Flur.“
    Reutter griff nach einer Fernbedienung, die
Lautsprecher verstummten. Ahrendt rührte mit dem Zigarrenstumpf im Wasserglas.
    „Was wissen wir über Nummer drei?“
    „Nur ein schlechter Schnappschuss, wie gesagt.
Mehr nicht.“
    „Ich will, dass sie verschwindet. Egal wie. Lasst
es wie einen Aufzeichnungsfehler aussehen, stellt meinetwegen einen Magneten
daneben. Frau van Broiken?“
    „Wir könnten sie austauschen. Nehmen einen
unserer Mitschnitte, wie wäre es mit Mittwoch, da war alles ruhig, nur der
Händler huscht mal in den Lift. Kleine Retusche, umspielen, in zwei Stunden
erledigt.“
    Ahrendt beugte sich über den Tisch. „Seht zu, dass
das alles verschwindet, und zwar schnell.“
    Van Broiken blickte ihn verwundert an: „Warum
eigentlich?“
    Ahrendt fixierte sie: „Weil - ich - es - so - will.
Klar?“
    Sie kannte diesen Tonfall, der jede weitere
Frage verbot.
    „Schönen Abend noch, ich geh jetzt zum
Sommerfest. Das Mädel lässt bitten.“

43
    Der Zustand meines Kühlschranks hatte sich
nicht verändert, wie auch. Lily hatte mit ihren unangekündigten Besuchen dafür
gesorgt, dass ich sie ständig erwartete und entsprechende Vorkehrungen traf.
    Als sie das erste Mal - bis heute weiß ich
nicht, woher sie die Adresse hatte - vor meiner Tür stand, war ich weder auf
sie noch auf sonst irgendwas vorbereitet. Einzig die leeren Weinflaschen
kündeten davon, dass ich die Wohnung regelmäßig nutzte. Sie zog die Augenbrauen
hoch, drückte mir ihren Koffer in die Hand und begann kopfschüttelnd mit ihrer
Inspektion. Ein Blick in den Kühlschrank brachte sie dann völlig aus der
Fassung. Nicht, dass er leer war, aber wie das, was er enthielt, einst dorthin
gekommen war, daran fehlte mir jede Erinnerung. Sie maß mich mit einem Blick,
der mir erstmals seit Langem wieder die Schamesröte ins Gesicht trieb.
    Lily griff in ein Seitenfach ihres Koffers und
holte einen Satz Einmalhandschuhe hervor, hängte ihre Lederjacke über den Stuhl
und machte sich auf die Suche nach dem Mülleimer. Das Krachen und Scheppern kam
mir ohrenbetäubend vor.
    „Wenn Du die Straße runter gehst, dann rechts
zum Taxistand, da ist ein Spätverkauf. Also los. Und stell den Koffer endlich
hin.“
    „Und was …?“
    „Na was schon, alles.“
    Kurz danach hatte ich einen Einkaufszettel in
der Hand und machte mich auf den Weg. An diesem Abend war die Zeit nach Daniela
beendet. Definitiv. Und jetzt, nach der Zeit mit Lily, war ich innerhalb
weniger Tage wieder versackt.
    Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Kapern. Huren-Nudeln
nannte sie das Gericht breit grinsend.
    „Stammt aus Neapel und soll seinen Ursprung bei
den hungrigen Damen haben, die oft nur das Nötigste im Haus und zudem wenig
Zeit hatten.“
    Etwas später am Abend stellte sie mir dann die
Frage, über die ich auch heute wieder nachdachte: „Was macht einer wie Du bei
den Bullen?“
    Ich musste weit ausholen, begann mit dem Mann,
der in meiner Erinnerung immer übertrieben nach Aftershave roch – und der Frau,
die zeit ihres Lebens bei jedem Donnergrollen an den Augenblick erinnert wurde,
als das Haus, in dessen Keller sie mit ihren Eltern und dem zwei Jahre jüngeren
Bruder vor den Bombenangriffen geflohen war, vor ihren Augen zusammenbrach und
sie zur Waise machte. Gerettet nur, weil sie hinter dem Durchbruch, der die
Keller verband und zugleich als Fluchtweg diente, weil sie hinter diesem keinen
Quadratmeter großen Durchbruch ein Katzenjunges herumstreunen sah, das ängstlich
jaulte.
    Lily hörte schweigend zu, als ich ihr vom
Schrecken in den Augen meiner Mutter bei jedem Donnerschlag erzählte und ihrer
Hingabe zu streunenden Katzen, die dazu führte, dass ihre Wohnung permanent
nach Katzenpisse stank. Sie duldete keinen Widerspruch, nicht vom Vermieter,
nicht vom Veterinäramt, bis - aber da lebte ich schon mein eigenes Leben - die
Wohnung zwangsweise von mehreren Dutzend gestrandeter Kreaturen beräumt wurde. Die
alte Frau sah dem Treiben schweigend zu und starb keine zwei Wochen später.
    Neben den Katzen bestimmte die Angst vor den
Roten ihr Leben, die zuerst ihre Familie durch Dauerbeschuss ausgelöscht und
danach die kleine Inselstadt über Jahrzehnte bedroht hatten. Noch

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