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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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gelben, grünen oder violetten
Regenschirmen folgten. Dazwischen die ersten Herrengruppen mit rheinischem
Tonfall auf der Suche nach dem Abenteuer. Der Türsteher vorm Sophienclub, ein Glatzkopf
mit Oberarmen, an denen man anatomische Studien treiben konnte, wartete gelangweilt
auf den ersten Schwung tanzwütiger Girlies.
    Langsam schleppte ich mich die Treppe hoch, dabei
gingen mir Hanschkes Worte durch den Sinn: sensibles Revier. Was mochte das
bedeuten?
    Im Treppenhaus hing der Geruch eines viel zu
aufdringlichen Aftershaves. Irish Moos. Ich dachte unwillkürlich an meinen Vater.
Erinnerungen an eine Zeit, als es noch ein Wert an sich war, Dinge, für die im
Fernsehen geworben wurde, zu besitzen.
    Zuerst kam der Fernseher, mit ihm die Werbung
und dann war er verschwunden, der Mann, der das, was er für Ordnung im Leben
hielt, auch von dem damals Fünfjährigen und seiner Mutter verlangte. Passé.
    Mein Fußabtreter war verrutscht, ein kurzer
Tritt. Ich ließ den Schlüssel ins Schloss gleiten, da summte mein Handy.
    „Wie war´s denn mit dem Herrn Oberstaatsanwalt.
Ein Gespräch, so richtig unter Männern?“
    Maders Stimme brach sich ein wenig, sollte
ironisch klingen, konnte aber den Ärger der Ausgeschlossenen nicht verhehlen.
    „Ich hab Dich einsteigen sehen und kurz darauf
war er eigentlich schon ein Fall für die Führerscheinstelle.“
    „Danke, ich lebe noch. Er scheint ein Gespräch
mit Martens ebenso zu schätzen, wie Quallen zum Frühstück.“ Blöder Vergleich,
aber Mader gluckste versöhnlich.
    „Gut. Also, er wollte wissen, ob wir einen Informanten
haben. Er ahnt wohl, dass er nicht alles weiß. Und ich glaube, er ahnt auch,
warum.“
    „Hast Du es ihm gesagt?“
    Ich spulte das Gespräch in allen Einzelheiten
ab und nahm mir derweil ein Bier aus dem Kühlschrank.
    Irgendetwas störte mich plötzlich: „Hier
stinkt´s.“
    „Kein Wunder bei der Hitze, der Mülleimer?“
    „Blödsinn, das ist Aftershave. Der Geruch hing
schon im Treppenhaus und jetzt ist er in der Wohnung.“
    „Reingezogen, als Du die Tür aufgemacht hast.
Wo ist das Problem.“
    „Mag sein. Vielleicht eine kleine Paranoia,
vielleicht aber auch die angekündigten neuen Freunde?“
    Mader holte tief Luft: „Klar, Du bist jetzt
ganz oben angekommen, richtig wichtig. Schon über Personenschutz nachgedacht?“
    „Jetzt, wo Du es sagst. Aber mal ehrlich, neigt
Hanschke zu Panik?“
    Sie schwieg.
    „Bist Du noch da?“
    „Ja, Jonathan.“
    Sie hatte noch nie meinen Vornamen benutzt.
    „Ich glaub, Du siehst Gespenster. Ihr seht
Gespenster. Mein Gott, es waren zwei Nutten. Entschuldige bitte, aber keine von
beiden ist eine Operation Gallert wert.“
    Womöglich hatte sie recht. Vielleicht hing mir
der Geruch auch nur als Erinnerung an meinen Vater in der Nase und meine
Synapsen spielten mir einen Streich, weil ich schon seit Jahren keinen Gedanken
mehr an ihn verschwendet hatte.
    „Wir sehen uns morgen.“

42
    Die junge Frau zog die linke Augenbraue hoch: „Irish
Moos?“
    „Blödsinn.“
    „Tolle Leistung, jetzt fliegen wir vielleicht
wegen Deines Aftershaves auf. 008 Reutter schreibt Geschichte.“
    Der Grauhaarige räusperte sich im Hintergrund.
    „Schluss jetzt. Der Empfang ist gut, was gibt
es sonst noch?“
    „Er hat sie gekannt.“
    „Wen?“
    „Gallert hat die Kanalleiche gekannt. Ihr Foto
hängt an seiner Wand.“
    Reutter klappte seinen Laptop auf und startete
eine Fotoserie: jedes Zimmer, der Schreibtisch, ihr Bild.
    Ahrendt ließ sich bedächtig in einem
wildlederbezogenen Freischwinger nieder.
    „Das erklärt seine Hartnäckigkeit. Der weiß,
warum er suchen muss. Und was bedeutet das für uns? Frau van Broiken, was empfiehlt
unsere Doktorin der Jurisprudenz?“
    Die Frau wanderte durch den Raum und fächerte
sich mit einer Zeitung Luft zu.
    „Ich wüsste gern, was Starnhagen vor zwei
Wochen im Penthouse getrieben hat. Ich meine, das war ja keine billige
Straßenhure. Die andere, das war der normale schlechte Geschmack von Tarnowski.“
    „Soll ich Starnhagen also fragen, wie er zwei
Frauen so in Panik versetzen konnte?“
    Reutter kicherte.
    „Werden Sie nicht kindisch!“, herrschte Ahrendt
ihn an, während er eine Zigarre anflammte.
    „Wollen Sie duschen?“ Van Broiken wies mit dem
Finger an die Decke: „Rauchmelder, keine Attrappen.“
    Ahrendt versenkte die Zigarre in seinem
Wasserglas.
    „Gut, Gallert weiß also, wer die Frau war. Was
sie getrieben hat, wird ihm auch nicht entgangen sein.

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