Coltan
zu nehmen. Es könne nicht lange dauern.
„Kaffee oder Tee?“
„Espresso.“
Ich zog mich auf meinen vertrauten Platz zurück.
Fünf Minuten später blickte ich auf ihren
Brustansatz. Sie beugte sich zu mir und flüsterte, Herr Spencer sei schon auf
dem Weg und lasse mich herzlich grüßen. Sie duftete nach frischen Orangen, doch
mein Wunsch, sie möge noch ein wenig verharren, blieb unerfüllt.
Die Lobby füllte sich plötzlich mit einer
Gruppe rüstiger Senioren. Pagen eilten heran, griffen nach Koffern und Taschen.
Nach wenigen Minuten herrschte wieder der Gleichklang vom Teppich gedämpfter
Schritte. Aus der Bar drangen die ersten Töne des Pianisten, vermischten sich
mit leisem Gemurmel und zurückhaltenden Telefonklängen. Ich wurde schläfrig und
döste ein.
„Sie schnarchen!“, tönte es an meinem Ohr,
leider ohne den leichten Duft von Orangen.
Spencer stand dicht neben mir: „Ein Problem,
dass Sie mit vielen älteren Gästen teilen: Polypen. Konsultieren Sie Ihren
Hausarzt. Falls Sie keinen haben, ich könnte Ihnen einen ausgewiesenen
Spezialisten auf diesem Gebiet empfehlen. Als Beamter sind Sie doch privat
versichert.“
Er ließ sich in den Sessel fallen, schlug die
Beine übereinander und zupfte an seiner Bügelfalte.
„Womit kann ich heute meine Karriere gefährden?“
Ich schob ihm Lilys Foto über den Tisch.
„Schöne Frau. Ein bisschen bleich für die
Jahreszeit.“
Ich reichte ihm die gesamte Kollektion der
Künstler: Lily mit drei Perücken. Spencer tippte sofort auf das Bild mit den
blonden, halblangen Haaren.
„Donnerstags, ich glaube alle vierzehn Tage.
Gehört zum Penthouse.“
„War sie vielleicht mit der anderen Frau
zusammen, vor zwei Wochen?“
„Yes, Sir. Sie und die andere Frau haben uns
ein wenig aufgeregt, zügig geradezu, verlassen. Wir sehen es nicht gern, wenn
jemand in unserem Haus rennt. Was ist mit ihrem Beschluss für die Videos?“
„In Arbeit.“
„Sie sollten sich ranhalten.“
Mader lehnte auf der gegenüberliegenden Straßenseite
an ihrem Auto. Die Arme über der Brust verschränkt strahlte sie übers ganze Gesicht.
„Volltreffer!“, rief sie über die Straße, als
ich aus der Tür trat.
„Was?“
„Das Handy!“
Ich tänzelte durch die hupenden Autos.
„Der Täter kannte sich nicht besonders gut aus
mit unseren Gepflogenheiten. Zumindest scheint er nicht gewusst zu haben, dass
der gelbe Sack kein Müllsack ist.“
Mein Repertoire an Gesten war nicht besonders
umfangreich, also blieb es beim verständnislosen Schulterzucken. Mader schenkte
mir ihr Siegerlächeln.
„Ganz einfach: Du und ich, wir wissen, wenn ich
was loswerden will, dann schmeiß ich das in die Sperrmüllpresse. Ganz sicher
nicht zu den fein säuberlich getrennten Wertstoffen. Hat er aber gemacht, und
das heißt: Er war ganz sicher nicht von hier. Egal, wir haben das Handy geortet.
Es liegt auf einem Lagerplatz, draußen, kurz vor der Stadtgrenze. Zwanzig
Minuten. Die Kollegen sperren schon alles ab.“
Ferdinand Schneiderhannes saß im Fond und
winkte ungeduldig.
„Wollte unbedingt mitkommen“, sagte Mader und
hob entschuldigend die Hände.
Während der Fahrt repetierte ich wortgetreu das
Gespräch mit Spencer. Dann bekam Martens die ihm zugedachte Dosis an Informationen.
Er war zufrieden, bestellte uns aber trotzdem für den Nachmittag ein. Anschließend
rief ich im Büro des Staatsanwalts Hanschke an, der sich bislang kaum um uns
gekümmert hatte. Wir brauchten endlich die Videos. Aber Hanschke war auf
Termin. Die Sekretärin versprach, ihm eine Nachricht zu hinterlassen.
38
Es stank abscheulich. In der Sonne gärten die Reste
in den Verpackungen. Ich dankte dem Schöpfer der Wertstofftrennung und fragte
mich, wie man in dieser Gülle arbeiten könne.
Der Lagerplatz der Sortieranlage war mit
rot-weißen Bändern abgesperrt. Ich schätzte die Fläche auf 30 mal 70 Meter. Im
Schatten der Halle zogen die Kollegen der Spurensicherung ihre weißen Einmalanzügen
an. Ausgerüstet mit GPS markierten sie eine Fläche von zehn mal zehn Metern. In
diesem gelben Tütenberg steckte also unser Handy. Ich setzte meinen Mundschutz auf
und wir zogen die erste Schicht auseinander. Mader brüllte „Ruhe“ und wählte
die Nummer. Alle schwiegen und warteten. Nichts.
Wir gruben uns tiefer in den Berg, stellten
Sack neben Sack. Gegen den Geruch gärender Fischbüchsen, Joghurtbecher und
Milchtüten war auch der Mundschutz machtlos. Ein kurzer Ekel schüttelte mich,
als mir
Weitere Kostenlose Bücher