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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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akademischen Bretter geschickt, und mich ließ sie einfach links
liegen. Sie genoss ihren kleinen Doppelsieg, inspizierte mit hochgezogenen
Brauen ihr Publikum und wartete. Wartete auf mein Eingeständnis, dass ich
gänzlich den Faden verloren hatte. Ich war trotz allem in Geberlaune und so tat
ich ihr den Gefallen: „Also?“
    „Na, G-H-B eben. Sie hatte selbst welches.“
    „Soll das heißen, sie hat sich doch selbst?“
     Schneiderhannes schüttelte den Kopf: „Ne,
Gallert. Was die Kollegin und ich soeben erörtert haben … Sag mal, wann hast Du
eigentlich die letzte Weiterbildung gehabt? Nun, ich, wir denken, Lily Gormann kannte
sich mit dem Zeug aus. Richtig dosiert wirkt es enthemmend. Vielleicht nicht
das Schlechteste in ihrem Beruf, macht die Welt erträglicher.“
    Mader räusperte sich: „Das heißt, sie hat es
freiwillig genommen. Aber nicht alles.“
    Schneiderhannes lächelte sichtlich beglückt.
Endlich hatte er mal eine verständige Gesprächspartnerin, eine, mit der er
Ping-Pong spielen konnte.
    „Richtig. Ich habe hin und her gerechnet. Eigentlich
hatten wir mehr als Glück, dass wir überhaupt noch etwas nachweisen konnten. Die
Erklärung ist, sie war wohl überdosiert. Wer mit Liquid Ecstasy arbeitet, plant
den perfekten Mord. Alles eine Frage der Mathematik. Körpergewicht,
Abbauzeiten. Und wir haben damals viel Zeit verloren. Kurz und gut: Die Täter
hatten alles genau geplant, wussten aber nicht, dass sie sich mit dem gleichen
Stoff in Stimmung bringt. Spricht also alles für eine Überdosierung. Unser
Glück.“
    Endlich hatte ich ihn verstanden: „Um es kurz
zu machen: Hätte sie sich selbst überdosiert, wäre sie nicht an den Kanal
gekommen. Ihre eigene Dosis reichte aber nicht, um hilflos in der Ecke zu
landen.“
    Schneiderhannes lehnte sich entspannt zurück: „Der
Rest ist euer Problem.“
    Die Wimper war analysiert und landete in den Asservaten,
solange uns die Verdächtigen fehlten.
    Mader machte sich Notizen: „Bleiben also ihre
Kunden. Und, nicht zu vergessen, die Sache mit dem Video.“
    Hanschkes interne Telefonnummer war denkbar
einfach, viermal die Drei. Er hob sofort ab.
    „Gallert. Wir sollten mal übers Wildern reden.“
    Er verstand sofort: „Sie zahlen! In einer
Stunde.“

47
    Über der Hecke stiegen kleine Rauchwölkchen
auf. Hanschke saß an einem der hinteren Tische. Die Kellnerin erkannte mich und
kurz darauf stand vor jedem ein frisches, kaltes Bier. Ich überließ, wie schon
so häufig, Mader die Zusammenfassung. Als sie fertig war, erzählte ich noch von
dem ungewöhnlichen Geruch in meiner Wohnung, dann studierte ich das Auf und Ab
der Falten auf Hanschkes Stirn.
    „Morgen wollen Sie also ins Erzgebirge?“
    „Wenn Sie mir den Durchsuchungsbefehl
besorgen?“
    „Kein Problem, können Sie auf dem zuständigen
Revier abholen.“
    Für Prosa hatte der Mann nicht viel übrig.
    „Die Dame nimmt sich einen Mietwagen! Allein.“
Der Ton ließ keinen Widerspruch zu.
    Mader sah mich fragend an: „Warum?“
    Ich wusste keine Antwort und wollte auch nicht
glauben, was langsam als unbestimmte Ahnung durch meine Gehirnwindungen kroch.
Vermutete Hanschke dasselbe, wusste er vielleicht mehr, als er zugab? Doch für
Fragen war er gerade nicht erreichbar. Hanschke schien weit, weit weg zu sein,
bis er unüberhörbar vor sich hinmurmelte: „Irish Moos, ja?“
    Ich brummte nur zustimmend. Mit einem Ruck richtete
er sich auf, nahm die Brille ab und blinzelte Mader an: „Sie wollen wissen,
warum er ihren Wagen nimmt? Na, weil er keinen eigenen hat und wenn er irgendwohin
muss, dann fahren Sie ihn für gewöhnlich. Und deshalb nimmt er auch morgen ihr
Auto. Das werden sie heute Abend ausführlich in Gallerts Wohnung besprechen.“
    Er grinste mich an und beugte sich zu Mader: „Er
lädt sie bestimmt gern zu einem Glas Wein ein. Aber keine Namen. Ja, meine
Liebe, dann fahren Sie morgen mal schön hinter ihrem Chef her. Und immer auf
den Abstand achten.“
    Dann verstummte er für einen kurzen Moment,
kratzte sich ausführlich die haarlose Stelle am Hinterkopf, inspizierte anschließend
die Fingernägel und fuhr dann fort: „Und denken sie heute Abend ruhig laut
darüber nach, ob der Rest des Tagebuchs ihnen weiterhelfen wird.“
    Ich hielt ihm mein Handy hin. Die Antwort war
ein unentschlossenes Kopfschütteln: „Kann sein, wäre aber heikel. Aber, um sicherzugehen,
wäre ein neues Prepaid aus dem Discounter nicht übel. Nur für den Ernstfall.“
    Zwanzig Minuten

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