Coltan
raus.
George hat die Bilder übereinander geschoben, die Hintergründe verglichen.
Passt nicht. Vorausgesetzt natürlich, die Tiefgarage wird nicht zwischen 22 und
24 Uhr ausgefegt.“
„Warum ausgefegt?“
„Die Kamera nimmt nicht nur auf, wer ein- und
aussteigt, sondern auch ein Stück Fußboden. Verstanden?“
„Nein, kein Wort.“
„Also. Da oben die Kamera.“ Ihr linker Unterarm
hob sich, die Hand stellte das Objektiv dar: „Schräg: von oben nach unten. Und
was sieht die Kamera da?“
Ich spielte mit und antwortete brav: „Den
Fußboden?“
„Richtig. Und da lag ein Zigarettenstummel,
jedenfalls lag der da, als unser Mann den Lift so gegen 20:55 Uhr betrat. Um 21
Uhr wechselt die Aufzeichnung. Niemand kommt oder geht, keiner fegt, aber die
Kippe ist weg. Alles klar?“
Ich wischte mir die letzten Tränen aus dem
Gesicht und rief Spencer an. Er bat um einen Moment Geduld. Im Hintergrund
hörte ich ihn blättern, der Hörer lag auf dem Tisch.
„Wir haben noch eine Kamera, die den Zugang zum
Servicebereich überwacht. Aber da kommen eigentlich nur die Angestellten durch.
Jeder hat eine persönliche Schlüsselkarte.“
„Ich will, dass Sie sich die Aufzeichnungen ansehen.“
„Mann Gottes!“
„Rufen sie mich einfach an, wenn Sie fertig
sind.“
Der Platz füllte sich. Mütter kamen mit ihren
Kindern, die sich laut schreiend auf den Springbrunnen stürzten.
„Hast du Kinder, irgendwo?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich will zwei, später.“ Dann griff sich Mader
meine Zigaretten und versetzte mir einen kumpelhaften Schlag auf den Oberarm.
„Lily Gormann, geboren am 13. Februar 1978 in
Eisleben, Vollwaise. Als Du sie das erste Mal gesehen hast, war sie
wahrscheinlich gerade ein, zwei Monate aus dem Kinderheim weg. Ist nie dorthin zurückgekehrt
und nicht ein einziges Mal aufgegriffen worden, bis sie volljährig war.“
Sie legte den Ausweis auf den Tisch, er war
vier Jahre alt, Lily lächelte. Auf der Rückseite ihre Meldeanschrift:
Schneeberg?
Mader hatte die Frage geahnt: „Liegt im
Erzgebirge. Kleinstadt.“
Natürlich hat sie dort niemand vermisst. Wie
auch, eine wie sie gehörte da nicht hin, würde nie dazugehören, konnte kommen
und gehen, wie es ihr gefiel.
„Sie hat Dich nicht angelogen.“
Ich malte mit der Schuhspitze Kreise in den
Kies.
„Wann willst Du hinfahren?“
„Morgen.“
„Ich hab eine Recherche in Auftrag gegeben.
Bankdaten, alles, was es so gibt.“
46
Am späten Nachmittag kam Schneiderhannes. Eigentlich
war seine Arbeit getan, aber er konnte sich wohl nicht einfach so trennen. Und
solange sich niemand beschwerte, weil er seine Kompetenzen überschritt, war alles
gut. Die Spurensicherung war dankbar für jede Hilfe, die sie bekam. Auch ich
war ihm dankbar, übernahm er doch meine Rolle des Advocatus Diaboli, ersetzte
mich, der ich noch immer keinen Strich zwischen den Morden und meinem Leben ziehen
wollte und konnte.
„Bestandsaufnahme!“ hustete er vor sich hin.
Mader lehnte sich zurück und dozierte mithilfe eines Bleistifts, mit dem sie
sich bei jedem Fakt auf die Handfläche schlug. Lilys Fingerabdrücke auf dem
Mobiltelefon waren Anlass genug, davon auszugehen, dass sie und die Limited zusammengehörten.
Es gab genug DNA, um ihr die Kleidungsstücke zuzuordnen. Schneiderhannes hatte
alle angestachelt, selbst jeden Millimeter unter die Lupe genommen und war
dabei auch auf ein Wimpernhaar gestoßen, das definitiv einem Fremden gehörte. Die
einzige wirklich neue Spur. Doch das war nicht alles. Er zog eine kleine Plastikflasche,
verpackt in einer Klarsichthülle, hervor: „Äußerst interessant, erklärt einiges.
War in der Handtasche.“
Er hielt das Fläschchen zwischen den Fingern:
„Sieht aus wie Nagellackentferner.“
Mader hatte wie immer keine Lust auf
Rätselraten und drehte sich betont desinteressiert zum Fenster. Ich fand, er
hatte einen kleinen Triumph verdient und spielte mit: „Soll ich raten?“
„Kommst Du nie drauf.“
„Dann lass ichs halt.“
Mader sah aus dem Fenster und murmelte etwas
vor sich hin. Schneiderhannes sah sie leicht irritiert an.
„Interessiert euch wohl nicht?“
Mader murmelte weiter, diesmal etwas lauter: „G
– H – B. Und ich wette, auf dem Fläschchen gab es nur ihre eigenen
Fingerabdrücke, richtig?“
Sie erntete ein zwar verdutztes aber dennoch
anerkennendes Nicken.
„Gallert, nimm Dich in acht.“
Ich verstand kein Wort mehr. Mader hatte Schneiderhannes
soeben auf die
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