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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Fremden wären gekommen, ihnen ihre Kultur, ihre Lebensart und ihre Traditionen aufzuzwingen, geschweige denn, sich als Beherrscher und Herrenmenschen aufzuspielen. Umso grausamer wird das Erwachen.

»Ich verstehe nichts!«
    Â»No entiendo nada! - Ich verstehe nichts!«, muss Luis de Torres, der Dolmetscher für Hebräisch, bekennen, nachdem er versucht hat, verbalen Kontakt zu den Menschen von Guanahaní aufzunehmen. Auch mit Arabisch funktioniert es nicht, von Latein und Kastilisch einmal ganz zu schweigen.
    Â»No entiendo nada!« Das könnte als Motto über dieser ganzen Begegnung stehen. Denn es ist alles anders. Es ist so ganz, ganz anders, mit nichts von dem vergleichbar, was sich die Männer erträumt oder vorgestellt haben.
    Wo ist das Land des Großkhans, überhaupt, wo beginnt das Festland? Wo sind die jüdischen Königreiche, und vor allem: Wo ist das Gold?
    Für uns heute sind fremde Kulturen auf diesem unseren Erdball etwas Normales; nur schwer vorstellbar, welchen Schock diese andere Welt bei Menschen ausgelöst hat, die in den engen Vorstellungen und Denkweisen des ausgehenden Mittelalters verhaftet sind. Und nachdem das erste Starren mit offenem Mund, das völlige Erschlagensein vom Neuen und Fremden vorüber ist, schlägt die eigene Unsicherheit um in Arroganz und Hochmut: Da die Wilden, hier wir, Christen aus Spanien, der Gott und dem Papst am wohlgefälligsten Nation, und zudem die Bezwinger des Ozeans!
    Mit bemerkenswerter Sturheit versucht Columbus, mithilfe seines Dolmetschers Bestätigungen von den Indianern zu erhalten, dass seine Träume sich mit der Wirklichkeit decken. Was bedeutet, dass er alle Auskünfte umdeutet, missversteht, sie nach seinen Wünschen zurechtbiegt. Wenn die Bewohner der Insel von einer Gegend namens Cami sprechen, hört er »Grandchan« (Großkhan) heraus und glaubt allen Ernstes zu verstehen, dieser Herrscher sei bereits per Schiff unterwegs, um ihn zu begrüßen. Wenn sie von der großen Insel Kuba sprechen, versteht er Zayton und Quinsay (nach Marco Polo Städte in Japan) und schließt daraus, dass Kuba und Japan dasselbe sind. Jene Besessenheit, die ihn trotz aller Widerstände und Gefahren bis hierher gebracht hat, wird nun zur Verbohrtheit. Es ist, als habe man einen Schalter umgelegt. Alles, was bisher an ihm positiv war, scheint sich nun ins Gegenteil zu verwandeln.
    Der Mann ist an seinem Ziel angelangt, und das Ziel ist nicht so, wie er es erwartet hat. Und das darf nicht sein.
    Zwischen ihm und seiner Mannschaft kommt es zu hitzigen Auseinandersetzungen. Er hat kurzerhand seinen Leuten den privaten Handel mit den Eingeborenen verboten und alles Gold, Silber und Gewürze, die vorhanden sind, zum Monopol der Krone erhoben. Aus der Traum vom Gold! In den Wind gesprochen die großen Worte, dass jeder hier seinen Seesack mit Schätzen füllen kann! Die armen Schlucker bleiben arme Schlucker.
    Nicht verschweigen darf man eine der schäbigsten Taten unseres Seefahrers: Er bringt den Seemann Juan Rodríguez, der das Land gesichtet hat, um seine Belohnung, indem er erklärt, er selbst habe bereits vier Stunden früher, am Achterdeck stehend, ein Licht gesehen »wie eine kleine Wachskerze«, und damit sei also er der wahre Entdecker, dem die Leibrente der Majestäten zustünde.
    Die Sache ist schlichtweg eine Lüge. Vom Zeitpunkt seiner »Sichtung« bis zu dem Moment, als Rodríguez »Land!« meldet, legt die Flotte mit vollen Segeln noch dreißig Seemeilen zurück. So weit ist nicht einmal das Licht eines Leuchtturms auszumachen.
    Natürlich wissen das die Seeleute und sie sind empört. Fast gibt es wieder eine Meuterei. Unser Seeheld beschließt daraufhin, neues Land neues Land sein zu lassen, und hält sich die meiste Zeit in der Toldilla der »Santa Maria« auf, im Schutz seiner Kommandogewalt und der königlichen Beamten.
    Sein Streben gilt dem Gold. Einige Bewohner von Guanahaní tragen schmale Goldringe in den Nasenflügeln. Befragt, woher das denn stamme, verweisen sie mit vagen Handbewegungen gen Westen - vielleicht nur, um die lästigen Frager loszuwerden.
    Er lässt die Anker lichten und macht sich auf die Suche - Südwestkurs. Wenig später ist der Horizont von so vielen Inseln übersät, dass dem Admiral fast die Augen aus dem Kopf fallen.
    So beginnt der erste »Karibik-Turn« der Weltgeschichte.
    Der Admiral

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