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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Völkchen zusammenzuhalten, gibt es nur wenige.
    Für die Indianer muss die Begegnung mit den Europäern - anders als für diese selbst - eine zwiefache Erfahrung gewesen sein: ungewohnt und gewohnt zugleich. Sie kennen es, auf unterschiedliche Lebensformen zu stoßen. Jede Insel wird bevölkert von einem anderen Stamm mit anderen Göttern, einer anderen Sprache, einem anderen Verhaltenscode. Man betrachtet sich neugierig und lässt es dabei bewenden, beziehungsweise beschränkt den Kontakt auf nützliche Vorgänge wie den Austausch von Waren. Man respektiert die anderen, ohne sie belehren zu wollen. Ungewohnt: Die Männer, die da kommen, sind fremder als alles, was ihnen bisher begegnet ist.
    Und so wachen die Lucaya-Indianer am Morgen des 12. Oktober 1492 auf und sehen drei große schwimmende Häuser mit Flügeln auf dem Wasser. Neugierig rennt alles zum Strand. Eine Abwechslung kann nie schaden. Sie haben keinen Grund zu der Annahme, dass da nichts Gutes kommt.
    Im Schatten der Bäume beobachten sie, wie die »Vögel« ihre weißen Schwingen zusammenfalten. Boote werden ins Wasser gelassen, und Menschen, behängt mit farbigen Geweben, mit glänzenden Gegenständen über den Schultern, verlassen die schwimmenden Häuser. Schon von weitem kann man erkennen: Sie tragen jede Menge Haare im Gesicht, haben lange Nasen und sind krankhaft bleich, und die Haare auf ihren Köpfen haben ebenfalls unterschiedliche Farben; der eine, der in das rote Tuch gewickelt ist, hat sogar einen denkwürdig weißen Schopf.
    Was für eine Aufregung!
    Dann landen die Boote und die Fremden kommen an Land und machen merkwürdige Dinge. Sie stolzieren am Strand umher, schwenken bunte Tücher an langen Stangen, knien nieder und springen wieder auf, heben die Hände zum Himmel... Ein spannendes Theater.
    Â 
    Gefolgt von einer ganzen Prozession von Männern, setzt Columbus als Erster seinen Fuß auf das fremde Land. Sie knien nieder und danken Gott. Dann pflanzt er als Anführer ein Kreuz als Symbol des Glaubens in den Sand - und einen
    Galgen (!) Hier wird fortan spanische Gerichtsbarkeit zuständig sein. Er schneidet eine Hand voll Gras ab, um das Land im Namen der spanischen Könige in Besitz zu nehmen, gibt ihm den Namen San Salvador. Der Flottenschreiber protokolliert den Vorgang und gleichzeitig die Erhebung des bisherigen Generalkapitäns zum Admiral, Vizekönig und alleinigem Gerichtsherren des neuen Landes. Seine Mannschaft hat ihm nun einen Treueid zu leisten.
    Und dann beginnt man mit der Erkundung des Territoriums.
    Zögernd und mit freundlichen Gesten nähern sich die eigentlichen Besitzer dieser Insel - sie haben ja keine Ahnung, dass man ihnen eben gerade die Rechte an ihrem Land genommen hat.
    Die Spanier halten eine reichhaltige Sammlung an wertlosem Kleinkram bereit. Mit solchem Tinnef haben die Portugiesen in Afrika schon hervorragende »Erfolge« gehabt.
    Auch die Inselmenschen staunen. Bunte Glasperlen sind einfach etwas Neues im Schmucksortiment, auch zierliche Glöckchen können einen faszinieren, ein eiserner Nagel ist eine große Bereicherung der Werkzeuge und ein Spiegel ein echter Wert für jemanden, der bis jetzt in einer Wasserpfütze nachgucken musste, ob sein Haar gut sitzt.
    Es heißt, die Eingeborenen hätten die Schiffe für »Vögel aus dem Himmel« angesehen. Ihre Meinung über die auf diesen Vögeln zu ihnen Gekommenen wird sehr zwiespältig gewesen sein. Was sie an Geschenken bringen, ist ja in Ordnung, und man bedankt sich auch mit Gegengeschenken in Form von bunten Papageien, Speeren mit Fischbeinspitzen und Baumwollgeweben, aber das stößt offensichtlich nicht auf allzu große Begeisterung.
    Andererseits müssen sich die Indianer sehr zusammennehmen, wenn sie mit den fremden Gästen beieinander stehen. Menschen, die bekannterweise mehrmals am Tag baden, müssen wohl ziemlich schockiert gewesen sein, auf Leute zu treffen, die sich seit Monaten nicht gewaschen haben und das für normal halten. Die dabei gewesenen Männer aus Spanien berichten, dass die ersten Indianer, mit denen sie zusammentrafen, aus ehrfürchtiger Scheu den Kopf senkten und die Hände vors Gesicht hielten. Man könnte darauf kommen, dass sie sich wohl eher die Nasen zugehalten haben.
    Zu keiner Zeit während dieses »First Contact« hat jemand von den Eingeborenen die Idee, diese merkwürdigen

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