Columbus
festgehalten, Nacht für Nacht den Polarstern am Himmel zu suchen in Gedenken an ihren Geliebten.
Die letzte Zeit Anfang Oktober, wo die Tage kürzer werden, ist sie unruhig gewesen, und obwohl sie nichts auf Träume gibt, haben sie nachts merkwürdige Gesichte heimgesucht: Fische mit Flügeln, die auf Deck eines Schiffs klatschen und sie unter sich begraben, Wellenberge, die über ihr zusammenbrechen, oder, am schlimmsten, ein Wasser, das langsam und allmählich, aber unaufhaltsam steigt - und sie kann weder Hand noch Fuà rühren. Und sie wacht schweiÃgebadet im Bett auf und läutet nach ihren Frauen, damit sie ihr Licht und etwas zu Trinken bringen und ihr ein frisches Hemd aus jenem gefältelten Batist anziehen, aus dem sich auch der eitle »Generalkapitän« seine Wäsche schneidern lässt.
Jetzt, im Norden, ist nur noch die kleine Insel El Hierro zwischen ihm und dem ozeanischen Meer, das er durchquert, und der Sonnenuntergang ist rot und leuchtend und der Polarstern so groà und klar, dass man meint, ihn mit einem Netz vom Himmel herunterfangen zu können. »Polarstern, hilf ihm! Hilf meinem Abenteurer!«, murmelt sie und ist sich wohl bewusst, dass das ganz und gar kein christliches Gebet ist.
Und hier im Norden der Kanarischen Inseln, während die Nächte schon kühler sind als sonst, kann sie wieder schlafen ohne üble Träume auf dem Deck ihres Schiffs, unterm Sternenlicht. Sie nimmt es für ein gutes Omen. Er wird finden, was er sucht. Er wird zurückkehren.
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Bis heute ist der Streit nicht beigelegt, welche Insel nun die »Ehre« hatte, von den Spaniern zuerst angelaufen worden zu sein. In dem ominösen Bordbuch sind bestimmte Merkmale des Eilands verzeichnet, aber das hilft uns so gut wie gar nichts. In allen nautischen Angaben bleibt Columbus so verschwommen, wie es nur geht. Es sind »seine« Inseln und kein anderer soll sie ansteuern.
Die drei Anwärter sind Watling Island (San Salvador), Samana Cay und Grand Turk Island. Sie liegen 50 bis 100 Seemeilen auseinander, und das ist eine Abweichung, die durchaus innerhalb der Toleranzgrenzen liegt, da ja Positionsbestimmungen damals sehr starke Abweichungen vorwiesen und man also den Kurs der drei Karavellen nur in groben Umrissen nachvollziehen kann.
Fest steht nur, dass die Ureinwohner ihre Heimatinsel Guanahanà genannt haben.
Watling Island wird seit mehr als einem Jahrhundert als erste Landkennung angesehen. Im Jahr 1987 wurde die Insel »offiziell« zu jenem Eiland erklärt, das den »Erstkontakt« hatte und ihm der Name San Salvador (Heiliger Erlöser) verliehen - so hat Columbus die Insel genannt.
Aber seit 1986 ist auch Samana Cay im Gespräch. Sie war Endpunkt einer computersimulierten Atlantiküberquerung à la Columbus. Aber die Insel hat ein Handicap: Landaufnahmen zeigen hohe Brandungswogen, die sich in eine schmale Lagune ergieÃen. Dergleichen wird ein erfahrener Seemann wie Columbus wohl kaum beschrieben haben als einen Hafen, »in dem nicht mehr Seegang herrschte als hinter einer Mauer«.
Als dritte Kandidatin ist Grand Turk Island, ein Winzling der Caicos-Gruppe, im Gespräch. Sie weist genauso viel und genauso wenig Anhaltspunkte auf wie die beiden Konkurrentinnen.
Wie dem auch sei: Die Bewohner der Insel Guanahanà und mit ihnen der ganze neue Kontinent können in dieser Nacht das letzte Mal ruhig schlafen.
Crash der Kulturen
Der Stamm der Lucaya ist ein friedfertiges Völkchen. Die Indianer sind gesund und fröhlich, und die Natur gibt alles, was man braucht, Nahrung, schönes Wetter und eine wunderbare Landschaft mit klarem Wasser und immergrüner Vegetation.
Sie leben von Fischen und Meeresschnecken, sie bauen Jamswurzeln an und backen Maniokbrot, sie töpfern und weben sich aus Hanf und Baumwolle ihre Hängematten. Von Kleidung halten sie nichts - wozu auch. Es ist warm genug und eine schöne Bemalung ist viel reizvoller als irgendwelche lästigen Gewänder.
Es gibt nicht einmal gröÃere Tiere, die man jagen kann - infolgedessen ist ihr Kampfgeist gleich null. Wenn es einmal eine Auseinandersetzung mit einem anderen Stamm gibt, werfen sie mit Fischspeeren. Aber es gibt eigentlich nichts, worüber man sich so richtig in die Haare geraten kann. Alles ist im Ãberfluss da, und was man nicht hat, kann man ertauschen. Mann und Frau sind gleichberechtigt, und Leute, die man braucht, ein
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