Columbus
jubeln zu dem unbekannten Schauspiel und die Kirchenglocken läuten.
Er beugt sich zu ihr. »Erlaubt, gnädige Frau Gouverneurin - ich bin müde.«
La Cazadora erhebt sich. »Seine Gnaden der Vizekönig geht zu Bett. Wir beenden das Fest.« Sie legt ihre Hand auf seine ausgestreckte Rechte, nicht leicht und graziös, sondern als würde ein gieriger Greifvogel aufsitzen. Unterm Applaus des kleinen »Hofstaats« begeben sich die beiden hohen Personen ins Innere des Palacio.
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»Ich weià zwar, dass du als Vizekönig vor niemandem auÃer den Majestäten den Hut abnehmen musst«, sagt sie herausfordernd, »aber würdest du bei mir wohl eine Ausnahme machen? Ich will deinen weiÃen Haarschopf sehen.«
Er schleudert sein Barett mit den wippenden exotischen Federn in die Ecke und schlieÃt die Tür hinter sich mit dem FuÃ.
Das prachtvolle Bett, das in diesem Raum steht, ist eins der altspanischen Machart, eins, auf dem ein Adliger auf dem Totenbett oder eine Frau als Wöchnerin präsentiert wird. Es hat gedrechselte Säulen und einen Himmel aus feinem Leinen und ist so hoch, dass man es eigentlich nur mit einer FuÃbank besteigen kann. Columbus ist mit drei langen Schritten bei ihr, hebt sie aufs Bett und beginnt stumm, sie auszuziehen.
Sie lässt ihn, hält nur still, tut gar nichts.
»Querida!« Er küsst ihren Hals, ihren Nacken, löst die Schnüre ihres von Gold starrenden Mieders. »Wie habe ich auf diesen Moment gewartet.«
»Nun sag bitte nicht, dass du die ganze Zeit deiner Reise nur an mich gedacht hast« - so wie ich so oft an dich, denkt sie, spricht es aber nicht aus. Und wozu auch? Sie will es ja nicht einmal vor sich selbst wahrhaben.
»Nein«, erwidert er fast unwirsch. »Erst als ich die Inseln am Horizont sah, wusste ich, wie sehr ich mich nach dir sehne. Meinst du, ich hatte viel Gelegenheit zurückzudenken? Ich musste all meine Kräfte sammeln, um nach vorn zu schauen.«
»Und die Sterne? Hast du an mich gedacht, wenn du die Sterne betrachtet hast?«
»Ich habe«, sagt er mit entwaffnender Ruhe, »die Sterne zum Navigieren anvisiert.«
Er löst ihr geflochtenes Haar, die Perlenschnüre rollen mit leisem Klacken zu Boden. Sie sieht ihn an, und im Schein der vier groÃen Ãllampen, die jeweils an den Bettpfosten aufgestellt sind, ist sein von weiÃen Haaren umrahmtes Gesicht mit den gesenkten Lidern und dem leicht geöffneten Mund ihr so nah, so vertraut, als wäre er nie aufgebrochen ins Ungewisse und hätte sie und die Welt so lange über Gedeih und Verderb im Unklaren gelassen.
Plötzlich beginnt sie zu schluchzen. Er hält inne, sieht sie erstaunt an. »Beatriz! Was ist dir?«
»Du verfluchter, hochnäsiger, eingebildeter Hund von einem Marranen! Du hättest draufgehen können!«
Er schüttelt den Kopf. »Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass ich zurückkomme, so wie es geschehen ist. Gott war mit mir.«
»Ich muss jetzt nicht über Gott sprechen!«, sagt sie und schlingt endlich die Arme um ihn. Von drauÃen wehen die letzten Klänge der Festmusik herein. Ein altes spanisches Lied. »Al alba venid, vida mia.« Kommt im Morgengrauen, mein Leben.
Grande und Grandin
Am nächsten Morgen besuchen Gouverneurin und Vizekönig gemeinsam mit ihrem Gefolge ein Tedeum in der Kirche de la Asuncion, die einst blutbesudelte - es gibt keine andere in San Sebastian.
La Cazadora trägt eine schwarze Mantilla, ein Schleiertuch, das jedoch Male von Küssen am Hals nicht völlig verbergen kann, und die Damen und Herren weisen einander verstohlen auf einen Kratzer hin, den Seine Gnaden Don Cristobal am Nacken zur Schau trägt.
Danach, noch mit dem Geruch des Weihrauchs in den Kleidern, halten sie Cercle, geben einen Empfang, und wie die Gouverneurin gestern dem Admiral, so stellt der Admiral heute der Gouverneurin einen auserwählten Kreis von Hidalgos und Granden vor, die sich an dieser zweiten Ãberfahrt beteiligen. Die Herrschaften verhalten sich so steif, als hätten sie einen Stock verschluckt, und die Bobadilla mag sich fragen, was diesen Männern wohl mehr zuwider ist: das Knie vor der Frau mit dem zweifelhaften Ruf, dem ehemaligen Königsliebchen, der »Allerweltsdirne« zu beugen oder unter dem Befehl eines Emporkömmlings zu stehen, den sie eigentlich als Mann von niederer Geburt
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