Columbus
verachten.
Fünf Tage. Eine Ewigkeit. Und gleichzeitig ein Moment, der wie ein Lidschlag vergeht. Fünf Tage, die den Festen und der Repräsentation gehören, den Pflichten und den Gesprächen. Und fünf Nächte. Fünf Tage können sich dehnen. Fünf Nächte sind viel zu wenig.
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Ein groÃer Augenblick: Die Gouverneurin stattet dem Flaggschiff der Armada ihren Besuch ab.
An der Seite des Admirals wird sie hinübergerudert (der kleine Hafen von San Sebastian ist damals an keiner Stelle tief genug für hochseetüchtige Schiffe), und Don Cristobal lässt es sich nicht nehmen, die Dame auf seinem Arm das Fallreep hochzuwuchten, wenn auch leise ächzend.
Alle seemännischen Ehren, Trillerpfeife, Salut der Mannschaft werden ihr zuteil. Unter anderem wird der Cazadora ein ebenfalls hochgewachsener, schon etwas älterer Mann präsentiert: »Mein Adjutant und meine rechte Hand, der die Kontrolle behält, wenn ich nicht an Bord bin«, erklärt Columbus. »Mein Bruder, Don Diego Colón.«
Beatriz mustert den Menschen. Noch nie hat sie so einen Ausbund von Sesselhocker gesehen wie diesen Diego, einen in sich gekehrten, etwas gebeugten Mann mit schüchternem Lächeln. Kartenzeichner, denkt sie und sagt nichts dazu. Der als Stellvertreter? Als ein Mann, der Situationen einschätzen und Entscheidungen treffen soll? Manchmal zweifelt sie an der Menschenkenntnis ihres Liebsten. Aber natürlich, Familie ist immer gut.
»Und es gibt noch einen weiteren Diego Colón an Bord!«, sagt der Vizekönig lächelnd.
Sie runzelt die Stirn. »Euer Gnaden haben doch nicht etwa Euren Sohn mit auf die Reise genommen?«, fragt sie verblüfft.
Er schüttelt den Kopf. »Lasst Euch überraschen.« Er führt sie in seine geräumige Toldilla, gibt einen Befehl.
Dann tut sich die Tür auf und herein kommt mit lautlosen Schritten ein barfüÃiger junger Mann in einem langen weiÃen Leinenhemd, darüber baumelt ein hölzernes Kreuz vom Hals. Tiefschwarzes Haar hängt ihm in glatten Strähnen fast bis in die Augen. Er ist braun wie Terrakotta und sein lächelndes Gesicht mit den schmalen Augen ist breit, mit hohen Backenknochen. In seinen Händen hält er ein Tablett mit zwei Bechern und einem Weinkrug.
»Euer Gnaden aufzuwarten!«, sagt er mit weicher Stimme.
Beatriz stöÃt einen Laut der Ãberraschung aus. »Wer ist das?«
»Das«, sagt der Admiral mit Genugtuung, »ist Diego Colón von meiner Insel San Salvador, mein Patenkind, das ich selbst aus der heiligen Taufe gehoben habe.«
»Diego Colón - und was treibt er hier auf deinem Schiff?«
»Er gehört zu den Mustern, die ich mitgebracht habe, um sie den Majestäten vorzustellen«, sagt Columbus unbekümmert. »Ich habe ihn zu meinem persönlichen Diener gemacht, denn ich mag ihn sehr gern.«
»Muster?« Beatriz zieht die Augenbrauen hoch.
Der junge Mann stellt das Tablett ab und füllt die Becher. Er verbeugt sich, will gehen. Die Gouverneurin streckt einen Finger aus, tippt auf das Kreuz, das er auf der Brust trägt.
»Was ist das?«, fragt sie, und, da der Junge nicht antwortet, nur weiter verschreckt lächelt: »Verstehst du unsere Sprache?«
»Diego versteht sehr gut«, mischt sich Columbus ein. »Er ist nur schüchtern gegenüber einer so hohen Persönlichkeit. Antworte der Señora, nur zu!«
Der junge Indianer flüstert: »Christus. Gott.« Er bekreuzigt sich mit einer ausholenden Bewegung.
Der Admiral macht ein triumphierendes Gesicht. »Sehr Ihr, Doña Beatriz?«
»Ja, ich sehe«, sagt sie trocken. »Du hast ihn abgerichtet. Was wird nun mit ihm? Soll er als dein Sklave leben?«
Columbus schüttelt den Kopf. »Daraus wird leider nichts. Ich bringe ihn nach Hause zurück. Wie die anderen Muster auch. Sie sind alle krank geworden. Manche wohl nur aus Heimweh. Sie sind nicht so brauchbar, wie ich anfangs dachte.« Er streicht dem Jungen über das schwarze Haar. »Du kannst jetzt gehen, Diego.«
Beatriz trinkt ihren Wein, wie immer in langen Zügen. Wiederholt dann, als sich der Indianer entfernt hat: »Muster?«
»Nun, es sind alles schöne, gut gewachsene Menschen, von sanftmütigem Charakter, freundlich und dienstwillig. Ich hatte gedacht, sie eignen sich gut zu Dienern, und hatte den Majestäten vorgeschlagen, den ganzen Stamm nach
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