Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs
hatte sie unendliche Mengen sauren, schwarzen Kaffees getrunken – zwischendurch ergänzt durch ein paar Zigaretten draußen vor der Schiebetüre -, als ihr Mann sich einer Chemotherapie unterzog. Umgeben von den bitteren Krankenhausgerüchen und dem Quietschen und Rasseln der Gehhilfen, hatte sie hier auf einem harten Plastikstuhl in einem weißen Korridor gesessen und von ihrem Papiertaschentuch aufgesehen, das sie mit zittrigen Händen in Fetzen gerissen hatte, als der Arzt sie ansprach. Sein Gesicht hatte Cathy längst verraten, dass die Chemotherapie nicht anschlug.
Während sie den Flur entlanglief, rief ihr Gedächtnis all diese schrecklichen Erinnerungen wieder ab. Im Vorbeigehen riskierte sie einen Blick in die Krankenzimmer auf der rechten Seite des Korridors und bekam ein paar flüchtige Eindrücke davon, in was für Höllen einen das Alter und sonstiges Elend befördern konnten: Ein Greis schlief, während eine alte Frau mit einem dicken,
ungelesenen Krimi auf dem Schoß an seinem Bett wachte. Ein anderer Mann verfolgte im Fernsehen eine Gameshow, derweil um ihn herum Plastikbeutel mit Blut und Urin baumelten. Ein junger Kerl, dessen Kopf in einer Art Metallkäfig steckte, scherzte mit einem Kumpel, trotz der Schrauben und Bolzen, die geradewegs in seiner Stirn verschwanden. »Hey, Jungs«, grüßte Cathy, als ihr die beiden zuwinkten. Nette Jungs. Einer von ihnen hatte einen Autounfall gehabt.
Cathy öffnete die Tür des vierten Zimmers, trat ein und stellte den Kaffee und die Teilchen ab. »Hallo, mein Sohn!«, flötete sie strahlend. »Entschuldige bitte, dass es so lang gedauert hat. Ich bin Margaret übern Weg gelaufen. Margaret aus unserer Straße. Du kennst doch Margaret? Sie liegt auch hier, mit …«
Ihr Enthusiasmus war völlig ungetrübt von der Tatsache, dass ihr Sohn seit drei Tagen ohne Bewusstsein war. Cathy plapperte einfach weiter.
Gary lag im Bett, den Kopf bandagiert wie eine Mumie. Bläuliche, durchsichtige Kanülen kamen aus seiner Nase, seinem Mundwinkel und seinen Armen. Über seinem rechten Auge, am Saum des Kopfverbandes, war ein wenig getrocknetes Blut, und um das Auge herum schillerten Blutergüsse in grün, violett, gelb und blau.
Als Cathy vor drei Tagen das Zimmer zum ersten Mal betreten und Gary so gesehen hatte, kam ihr automatisch ein anderes Bild von ihm vor Augen: Er war sechs, und er hatte sich an Halloween als der Ampelzocker verkleidet, dieser Mann aus der TV-Werbung, der bei Gelb über die Ampel fuhr. Sie erinnerte sich, wie sein kleines Gesichtchen durch das Loch zwischen den mit Ketchup verschmierten Verbänden grinste, und er sagte: »Seh ich auch wirklich gruselig aus, Mami?« Als Cathy auf die sechzig zuging, entwickelte ihr Verstand zunehmend ein Eigenleben. Er spielte ihr immer und immer wieder Erinnerungen von vor zwanzig, dreißig, vierzig Jahren vor, fast als ob sie diese
beurteilen sollte: Ist das relevant? Sollen wir das behalten? Wie jemand, der sich auf einen Umzug vorbereitet, indem er alles Überflüssige aussortiert und darüber entscheidet, was es wert ist, mitgenommen zu werden. Cathys Verstand war eindeutig der Ansicht, dass Halloween 1981 wichtig war. Denn sie sah Gary, wie er an diesem Abend im Wohnzimmer stand, genauso deutlich, wie sie ihn jetzt vor sich im Krankenbett sah.
Cathy setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett – so nah bei Gary, wie es die Phalanx der ihn umgebenden Maschinen zuließ – und begann, ihm aus der Abendzeitung vorzulesen und dabei die Nachrichten mit eigenen Kommentaren zu versehen. Die Artikel selbst trug sie in jenem leicht zögernden, formellen Tonfall vor, in den sie immer verfiel, wenn sie laut las. Ihre persönlichen Kommentare zu den Ereignissen fügte sie dann in ihrer natürlichen Phrasierung hinzu.
» ›Drei junge Männer, die Drahtzieher in einem Fall waren, bei dem Heroin im Wert von rund drei Millionen Pfund verschoben wurde, sind gestern vom Glasgower Strafgericht zu einer Haftstrafe von insgesamt vierzehn Jahren verurteilt worden.‹ Ich hoffe, dass sie den Schlüssel wegwerfen, sobald sie die weggesperrt haben! Abschaum ist das! Nichts als dreckiger Abschaum!« Sie blätterte die Seite um. »Hollywood-Schauspielerin klagt: ›Mein Leben ist die Hölle.‹« Entrüstet schnaubte sie: »Aye, Schätzchen, wenn ich deine gottverdammte Kohle hätte, würdest du mich ganz sicher nicht jammern hören!« Sie blätterte die Seite um.
Wenn es um die Gesundheit ihres Sohnes ging, kannte Cathy keine
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