Coming Home
mit meinem Mann niemals tun würde?«
»Süße, du liebst ihn«, sagte Julie verständnisvoll, »und das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Gegen Gefühle ist man machtlos, sie sind auf einmal da, und damit auch der Wunsch, dem Anderen nahe zu sein. Wenn das verwerflich wäre, würde über die Hälfte der Menschheit irgendwann in der Hölle schmoren. Also hör auf, dich so zu zerfleischen, und wenn es wirklich dazu kommen sollte, tu es einfach und genieße es.«
Megan seufzte. »Es ist ja nicht so, dass ich es darauf anlegen würde. Weder biete ich mich ihm an, noch versuche ich ihn zu verführen, aber ich hätte an diesem Nachmittag ohne mit der Wimper zu zucken alles getan, was er gewollt hätte.«
»Glaubst du wirklich, dass er die Absicht dazu hatte?«
»Keine Ahnung, aber irgendwie waren wir uns auf einmal so verdammt nahe, es war so ein intensiver Augenblick, und als er mich dann plötzlich zu sich umgedreht hat, hatte ich das Gefühl, dass er mich jeden Moment küssen würde – und dann stand auf einmal Brad in der Tür.«
»Brad.« Julie schnaubte verächtlich. »Dieser widerliche, faule Schmarotzer – warum wirfst du ihn nicht endlich raus?«
»Lisa …«, setzte Megan an, doch Julie unterbrach sie mit einer unwirschen Handbewegung.
»Lisa, Lisa, Lisa«, wiederholte sie ungnädig, »sei mir nicht böse, deinen Mutterinstinkt in allen Ehren, aber sie ist vor kurzem elf Jahre alt geworden, glaubst du immer noch, dass sie nicht mitbekommt, was sich zwischen dir und Brad abspielt? Denkst du, sie ahnt nicht, warum du beinahe jede Nacht in ihrem Zimmer schläfst, anstatt im Bett bei deinem Mann? Sie ist kein kleines Kind mehr, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie begreift, was die Gründe für eure ewigen Streitereien sind. Meinst du, sie wird glücklich sein, wenn sie begreift, dass du dich ihr zuliebe aufopferst und dabei langsam vor die Hunde gehst?«
»Brad würde sie niemals gehen lassen, und mich auch nicht«, sagte Megan dumpf. »Und solange es so noch einigermaßen läuft, will ich Lisa den ganzen Ärger, den eine Scheidung mit sich bringt, ersparen.«
»Aber das muss doch gar nicht sein. Versuch doch, dich in Frieden von Brad zu trennen, vielleicht ist er ja Lisa zuliebe dazu bereit«, erklärte Julie, ohne wirklich selbst davon überzeugt zu sein.
»In Frieden«, wiederholte Megan zynisch, »dieser Mann weiß doch gar nicht, was Frieden bedeutet. Hast du etwa vergessen, was er mir schon alles angedroht hat, falls ich je auf die Idee kommen sollte, ihn zu verlassen? Er bringt sich um, er prügelt mich windelweich, er sorgt dafür, dass man mir das Kind wegnimmt – und da glaubst du, er würde mich einfach so ganz friedlich meiner Wege gehen lassen, und das auch noch mit seinem Kind?«
»Aber das sind doch nur leere Drohungen, außerdem tut er das nicht, weil er dich liebt, sondern aus reinem Egoismus. Er betrachtet dich als sein Eigentum, das er nicht wieder aus den Händen geben will, mehr nicht. Wenn du weg bist, hat er niemanden mehr, der sich für ihn krumm schuftet, und dann müsste er selbst mal seinen faulen Hintern heben und etwas tun.«
Als Megan nicht antwortete, fügte sie leise hinzu: »Was würdest du denn machen, wenn David sich von seiner Frau trennen würde und auf einmal frei wäre?«
Abwehrend hob Megan die Hände. »Es ist müßig sich darüber Gedanken zu machen, das wird niemals passieren.«
24
E in paar Tage vergingen, und allmählich besserte sich die bedrückte Stimmung von Megan und David etwas. Zwar waren sie weit davon entfernt, wieder so locker miteinander umzugehen wie vor jenem Nachmittag, aber die Anspannung zwischen ihnen war einem behutsamen, sanften Miteinander gewichen.
Beide waren sich darüber im Klaren, was beinahe geschehen wäre, ebenso wie sie sich beide darüber im Klaren waren, dass der jeweils Andere es auch wusste.
Ein kleiner Rest Verlegenheit und Unsicherheit stand aus diesem Grund immer noch zwischen ihnen, und sie konzentrierten sich auf ihre Aufgaben, vermieden jeden weiteren Kontakt darüber hinaus. Auch gab es seitdem keine Arbeit nach Feierabend mehr, sobald es sechzehn Uhr war, verließ Megan das Büro, während David sich meistens noch bis spät in die Nacht in seinen Unterlagen vergrub. Er fragte sie nicht mehr, ob sie nachmittags noch Zeit hätte, und sie nahm es enttäuscht, aber mit dem Wissen, dass es so besser war, zur Kenntnis.
Umso überraschter war Megan, als David eines Morgens gutgelaunt bei ihr erschien und sie
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