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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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wollten es ›rechtfertigen‹ vor sich selbst und missionarisch vor anderen. Das war in der hellenistisch geprägten Kultur des Mittelmeerraums ohne die weitverbreitete Popularphilosophie nicht möglich. Jetzt waren Fragen zu beantworten wie:
    Was hieß es, ›erlöst‹ zu sein? Welche Rolle sollten antike Bildung, Literatur und Philosophie für die Christengemeinden der dritten, der vierten Generation spielen? Waren sie als Teufelszeug zu verwerfen oder zu assimilieren? Die antike Dichtung war verbunden mit der griechisch-römischen Götterwelt, also mit dem Kult, den Christen unbedingt zu vermeiden hatten. Darauf gab es widersprechende Antworten. Das kulturelle Gedächtnis Europas bewahrt die philosophierenden Bildungsfreunde unter den Christen – wie Clemens von Alexandrien und Origenes – sorgfältiger auf als die Gegner der Philosophie, dabei hatte doch schon der im Namen des Paulus geschriebene Kolosserbrief (2, 8) davor gewarnt, sich durch die Philosophie verführen zu lassen: Videte ne quis vos decipiat per philosophiam . Die Rede, die in der Apostelgeschichte 17 Paulus zugeschrieben wird, zeigt andererseits den Versuch der Anknüpfung an die Antike.
    Philosophische Wanderredner bildeten eine ernsthafte Konkurrenz zu christlichen Missionaren, die sich nicht selten bemühten, es diesen in Gewandung und Auftreten gleichzutun. Wenn ein Christ wie Origenes daranging, eine Gesamtdarstellung des christlichen Glaubens zu liefern, mußte er Konzepte der umlaufenden Popularphilosophie aufgreifen; in ihr mischten sich platonisierende, aristotelische und stoische Elemente. Einen gewissen Vorrang unter ihnen erlangte Platonisches. Denn Christen deuteten Platon als Monotheisten. Sie verstanden seine Ideenlehre als Wissen von einem anderen Leben, als Weg zum Glück der Seele durch Einsicht und Askese und als Projekt jenseitsorientierten ethischen Handelns.
    Die endgültige Form dieser Verbindung von Platonismus, schularistotelischen Resten, oft nur in der Terminologie, und christlichem Glauben schien in den Werken Augustins vor 397 vorzuliegen; die platonisierende Philosophie galt ihm als Weg zur Glückseligkeit und zu Gott; sie bot die richtige Ethik. Nur durch ihre Lehre von der Einheit des Weltgrunds gelang Augustin der Abschied von der Christengruppe der Manichäer, der er neun Jahre lang angehört hatte, und von ihrer Annahme zweier Prinzipien. Aber im Nachdenken über Paulus, vor allem über dessen Brief an die Römer , zerstörte der Bischof Augustin diese Voraussetzungen, auch wenn er gelegentlich auf Teile von ihnen zurückgriff. Seine späte Gnadenlehre ging ab etwa 400 von der Schwäche der menschlichen Vernunft aus und von der Ohnmacht des nicht-begnadeten Willens; die Tugenden der Heiden, hieß es jetzt, seien nichts als glänzende Laster. Selbst das Römische Imperium verdiene nicht das Wort civitas , Gemeinwesen (nicht: Staat), da es auf Unrecht beruhe, nämlich auf der Verehrung falscher Götter. Augustin sah in den heidnischen Göttern nicht Produkte der Volksphantasie, sondern real existierende Dämonen. Ungetaufte gehören der Satanswelt an; sie kommen nicht in den Himmel. Daher der Schmerz Dantes, daß Vergil zurückmuß in die Hölle. Aber keineswegs werden Augustin zufolge alle Getauften gerettet; Gottes Gnadenwahl ist unvorhersehbar. Er bestimmt ohne erkennbare Kriterien zur ewigen Freude oder zum Untergang.
    Augustins Gesamtwerk wirkte ambivalent. Ihm konnte man sowohl die christliche Kritik an heidnischer Philosophie entnehmen als auch deren Unentbehrlichkeit. Es gab eine Reihe philosophischer Motive, auf die auch der späte Augustin nicht verzichtet hatte: Da war der Ich-Stil, mit dem Augustin über Gott sprach. Die Confessiones schilderten seine psychologischen Zustände und die persönliche Entwicklung. Die Biographie bekam philosophische und religiöse Bedeutung.
    Augustin hörte nicht auf, Gott als das Gute in allem Guten zu denken. Er leitete zu der Überlegung an: Du siehst ein gutgebautes Haus und ein gutes Essen. Beide sind gut. Jetzt nimm in Gedanken ›Haus‹ und ›Speise‹ weg, denke nur: Gut. Dann siehst du Gott:
Bonum hoc et bonum illud. Tolle hoc et illud, et vide ipsum bonum si potes; ita deum videbis, non alio bono bonum, sed bonum omnis boni. [903]  
    Augustin erwartete immer noch viel von diesem philosophischen Experiment, das den christlichen Glauben nicht argumentativ voraussetzte, sondern der platonisierenden Tradition entsprungen war: Wer die Entgrenzung des Guten

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