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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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war ein Lockvogel. Irgendwer
    hatte sie eingeschmuggelt, um bis zum Guru vor-
    zudringen. Abou Kalybse hatte die Lage gecheckt.
    Er ließ die Kleine entführen. Sie blieb eine Woche
    in einer Baracke eingesperrt. Dann wurde sie abge-
    holt. Ich habe sie nie wieder gesehen.“
    „Mourad wurde wegen dieser Unvorsichtigkeit
    eliminiert.“
    „Er fing an, zu oft zu stolpern. Das war nicht rat-
    sam in einer Familie von Seiltänzern, wie der Club
    es ist. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, daß wir
    uns auf des Messers Schneide bewegten. Aber es
    gibt dabei keinen Rückwärtsgang.“
    „Wußtest du, wer Sabrine war?“
    „Die Tochter eines ehemaligen Manitus. Sie
    selbst hat es mir gesagt. Ich konnte nichts für sie
    tun. Im Schützengraben hält man seinen Helm und
    seine Feldflasche fest. Den Rest vertraut man der
    Fürsorge Gottes an.“
    „Wer waren die zwei Typen, die sich für Beamte
    des BdS ausgegeben haben?“
    „Keine Ahnung. Abou Kalybse hat seine Spitzel
    überall.“
    „Was genau sind die Leitlinien eures Clubs?“
    „Was meinst du …?“
    „Wer seid ihr? Fundamentalisten? Eine Art Ma-
    fia? Was habt ihr für eine Ausrichtung? Politisch,
    mystisch, religiös …?“
    Er fährt sich mit dem Arm über seine blutigen
    Lippen, befühlt seine Zähne. Seine Brust hebt und
    senkt sich schwer.
    „Keine Ahnung. Ich brauchte Geld. Vom ersten,
    der mir welches geboten hat, habe ich mich anheu-
    ern lassen. Unser Club kümmert sich um Intellek-
    tuelle. Andere um Industrielle. Wieder andere um
    Magistratsbeamte. Der Krieg ist ein gefundenes
    Fressen für alle, die noch eine Rechnung offen
    haben oder mal gründlich aufräumen wollen. Per-
    sönlich habe ich nichts gegen die Gebildeten. Ich
    weiß nicht einmal, wofür sie stehen … Ich halte
    mich an das Geld, kho. Man schickt mir ein Fax:
    die und die Summe für den und den. Ich lasse ihn
    eine Quittung unterschreiben und schicke sie per
    Fax zurück, dann gehe ich nach Hause. Nicht, daß
    es mir gleichgültig wäre, ich habe mir nur keine
    besonderen Vorwürfe zu machen. Ich bin ein
    Schalterbeamter, ein einfacher Geldautomat … Ich
    habe einen tierischen Horror vor Feuerwaffen.“
    „Wo versteckt sich unser Mann?“
    Er drückt vorsichtig seine Faust an die aufge-
    platzte Lippe und gurgelt: „Pavillon 17, Cité De-
    heb, an der Küstenstraße.“
    Nach beendeter Teufelsaustreibung beginnt er
    nervös zu schluchzen.
    Ich greife zum Telefon und rufe im Büro an.
    Bliss ist dran.
    „Was treibst du denn in meinem Büro?“
    „Ich kam gerade vorbei und hörte das Telefon
    läuten. Weil niemand abgehoben hat, da …“
    „Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß du
    nicht um meinen Schreibtisch herumschleichen
    sollst, wenn ich nicht da bin … Also paß auf, einen
    Gitterwagen in die Avenue des Frères Adou,
    Nummer 162. Ein ganz gefährlicher Hund. Verhaf-
    ten und zu keinem ein Wort davon!“
    „Nicht mal zum Herrn Direktor?“ fragt er krie-
    cherisch.
    „Einen Gitterwagen, und zwar ein bißchen plötz-
    lich!“

    * * *

    Die Cité Deheb, die „Stadt des Goldes“, hat kein
    reines Gewissen. Sie versteckt sich hinter den Hü-
    geln in einer Bergnische und tut so, als gäbe es sie
    nicht.
    Etwa dreißig Villen liegen in der stillen Bucht,
    die von einer breiten, schnurgeraden Straße zerteilt
    wird, beiderseits junge Palmen und schmiedeeiser-
    ne Laternen. Die Grundstücke gehören zu denen,
    die hinter vorgehaltener Hand den Besitzer wech-
    seln. Die Verwaltungsmafia breitet das Mäntelchen
    der Verschwiegenheit darüber, damit nur keine
    lästige Neugier aufkommt. Traumhafte Oasen, die
    für einen symbolischen Dinar vergeben wurden
    und im Schatten gehütet werden wie ein Staatsge-
    heimnis …
    Um sie zu finden, muß man in den Kreis der Ver-
    steckspieler eingeführt sein. Von der Landstraße
    aus sieht man nicht einmal die Abzweigung, die
    sich heimlich in die Büsche schlägt, nach einigen
    hundert Metern dann mit einer Asphaltdecke protzt
    und zuletzt über den feinen Sandstrand bis zur In-
    sel der Seligen vordringt.
    Wenn ich an die Schlafstädte denke, die unsere
    Landschaft verschandeln, an die öden Bunker, die
    schon beim Einzug baufällig sind und nichts als
    Aggressionen wecken, an die Slums, die sich bis in
    unsere Gedanken ausbreiten, oder die Kellerfens-
    ter, die über schwefligen Abgasen gähnen, dann
    gebe ich mich keinen Illusionen bezüglich unserer
    Zukunft mehr hin. Man baut eine Zivilisation nicht
    auf Kartenhäusern

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