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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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der Vergleich mit Pulitzer.]
    Er verstaut seine Blätter in einer Mappe, legt sie
    in eine Schublade. Dann blickt er auf. „Sollte man
    den Dämon austreiben oder ihn zähmen …? Es
    mußte eine Entscheidung getroffen werden. Und
    ein Dämon läßt sich nicht zähmen.“
    Ich zeige auf die Porträts: „Das waren weder
    Dämonen noch Verrückte, Sid. Das waren einfa-
    che, ehrliche, brave Leute. Sie hatten Kinder,
    Hoffnungen, legitime Ansprüche und wollten nie-
    mandem etwas Böses.“
    „Dummes Zeug! Als ich gegen die Kolonialher-
    ren zu den Waffen gegriffen habe, war das nicht
    zum Vergnügen. Ich habe von einem algerischen
    Algerien geträumt mit Koranschulen und Mo-
    scheen und turbantragenden Gelehrten. Von einem
    Land, das stolz ist auf seine Identität, seine Ge-
    schichte, seine Erde, unverwechselbar unter Tau-
    senden; stolz auf die Vielfalt seiner Dialekte, seine
    Sprache, seine Traditionen … Und was sehe ich?
    Algier ist so verdorben wie jede Metropole jenseits
    des Meeres, ein Volk ohne Charakter, häretische
    Universitäten, ein Schicksal von tödlicher Triviali-
    tät.“ Er deutet verächtlich auf seine Opfer: „Das
    waren keine braven Leute, Llob. Sie waren hinter-
    hältig, arglistig, zerstörerisch. Die reinsten Motten.
    Sie waren unsere Feinde, Verräter. Sie standen im
    Sold der Abtrünnigen, waren Handlanger des Teu-
    fels.“
    „Aït Méziane hatte kaum was zum Beißen. Er hat
    seine Schulden mit ins Grab genommen.“
    „Er war ein mieser Gaukler. Er verkörperte die
    Person des zersetzenden, zynischen, negativen Al-
    geriers, den wir alle ablehnen … So konnte das
    nicht weitergehen. Es war zuviel des Lächerlichen.
    Der Wald mußte niedergebrannt werden, um Platz
    für einen neuen zu schaffen, ohne Ratten und
    Schmeißfliegen, schädlingsfrei und widerstandsfä-
    hig …“
    Kein Zweifel, der Mann, der da mit mir redet, ist
    verrückt. Ich betrachte seine Wangen, seine glit-
    zernden Augen, den Schweiß, der ihm über die
    Schläfen rinnt, seine Finger, die so zittern wie sei-
    ne Stimmbänder …
    „Du warst es doch, der die sicheren Werte immer
    verabscheut hat, Sid, du bist der lebende Wider-
    spruch. Ich habe dich nur als Spielverderber ge-
    kannt, nachtragend, mürrisch, allergisch gegen gute
    Laune. Der Erfolg der anderen hat dich immer nur
    gestört. Du hast ihr Talent als persönliche Beleidi-
    gung empfunden. Nur weil du der geborene Pech-
    vogel bist, hat in deinen Augen nichts einen Wert.
    Du sprichst von deinen Träumen und läßt Alp-
    träume wahr werden. Eine gräßliche Spinne, die in
    den Tiefen ihres Netzes lauert: das bist du und
    sonst nichts. Neidisch auf jeden Schriftsteller, je-
    den Künstler, der dir die Schau stiehlt. Dein Leben
    lang wolltest du die Welt überflügeln, über sie er-
    strahlen, aber nicht durch dein Genie – davon hast
    du keinen Funken –, sondern durch die zerstöreri-
    sche Flamme deines Hasses, du, der Schreibknecht
    der Tyrannen, eingesetzt nicht um zu lehren und
    Orientierung zu geben, sondern um die wahre Elite
    zu sabotieren, so wie ein einziger kranker Baum
    den ganzen Wald verderben kann. Wer der Lüge
    dient, verfängt sich in ihr. Deine Freunde aus dem
    alten Regime haben dich, deinen Egozentrismus,
    deinen Größenwahn nur benutzt. Sie haben dich
    gegen deine natürlichen Verbündeten und gegen
    dich selbst aufgebracht. Sie haben dich an den Hö-
    henrausch gewöhnt und dann auf einer Wolke ver-
    gessen. Aber du bist nicht Gott und auch kein En-
    gel, Monsieur Lankabout. Du bist eine jämmerliche
    Utopie. Du flößt den Lebenden wie den Toten nur
    Mitleid ein …“
    Er streckt mir seine Hände entgegen, liefert sich
    mir aus.
    „Du brauchst keine Handschellen“, erwidere ich.
    „Eher eine Zwangsjacke.“
    Er betrachtet die Innenseite seiner Hände, dreht
    sie um, stützt sich ab, um aufzustehen. Ganz behut-
    sam. Seine Finger berühren einander, verschränken
    sich. Sid wähnt sich vor erlauchtem Publikum,
    schickt sich an, das Wort zu ergreifen. Durchs
    Fenster flutet das Licht herein und umhüllt ihn wie
    ein Nessusgewand. Er ist nur mehr ein Phantom,
    ein Schatten, der sich aus dem Tageslicht löst.
    „Als verrückt gilt, was sich dem Verständnis der
    Menge entzieht“, sagt er mit tonloser Stimme.
    „Verrückt ist der Weise, der seine Gelehrsamkeit
    vor dem gemeinen Volk ausbreitet. Galilei war in
    den Augen der Kirche verrückt. Und als verrückt
    galt Ibn Sina, der den Körper eines Menschen
    schändete, indem

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