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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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der
    Schlag an jenem Tag traf, da er über Moha Didous
    Rausch ganz vergaß, beizeiten seinen Doppelsech-
    ser abzusetzen. Und auch Bahja wohnte hier, die
    rehäugige Vestalin, der sich niemand zu nähern
    wagte aus Angst, sie könne sich gleich einer Huri
    in Luft auflösen …
    Wir waren arm, doch wie die Seerosen, denen
    das von Algen faulige Wasser nichts anhaben kann,
    schwammen wir seltsam gelassen an der Oberflä-
    che aller Enttäuschungen und blinzelten nach dem
    kleinsten Lichtstrahl, um uns von ihm aufmuntern
    zu lassen.
    Doch nachdem der Kokon aufgeplatzt war und
    die Schwüre von einst sich in Feuer und Rauch
    aufgelöst hatten, ging die Sonne in unserem Ge-
    dächtnis unter. Es wurde Abend in den Herzen, ein
    Abend, den weder Mond noch Sterne erhellten, der
    keine Kühnheit, kein zärtliches Verlangen kannte.
    Die Dämmerung wob ihr Spinnennetz und fing
    unsere Gebete ab, ohne daß es irgendwen ernstlich
    beunruhigt hätte.

    * * *

    Ich bin ins Büro gefahren, um Hunderte von Fotos
    der Terrorismusopfer zusammenzusuchen. Lino
    wollte wissen, ob das für mein nächstes Buch sei.
    Ich gab keine Antwort.
    Dann bin ich in die Rue des Pyramides gefahren.
    Ghoul Malek war nicht zu Hause. Ich schlug ein
    Fenster ein und stieg in seinen Palast.
    Zwei volle Stunden habe ich gebraucht, um die
    Fotos an Wände, Bilder, Vorhänge, Teppiche,
    Stühle und Nippesfiguren zu heften. Unerträgliche
    Fotos erstochener Kinder, vergewaltigter Frauen,
    enthaupteter Greise, exhumierter Mütter, zerstü-
    ckelter Soldaten, armer Prominenter, die zu Tode
    gefoltert worden waren. Nachdem ich die ganze
    schamlose Fülle der Einrichtung neu dekoriert hat-
    te, streckte ich mich auf einem Diwan aus und
    starrte die Decke an, als wollte ich sie zum Ein-
    sturz bringen.
    Die Nacht ist wie eine Maske heraufgezogen. Ich
    habe kein Licht angemacht und weitergeraucht.
    Da fahrt ein Wagen in den Hof, der Motor ver-
    stummt. Schritte kommen die Treppe herauf. Ein
    Klicken von Schlüsseln, die Tür geht auf und im
    Rahmen erscheint die elefantengleiche Silhouette
    von Ghoul Malek.
    „Chérif!“ ruft er.
    Der Luster leuchtet auf.
    „Was ist das für ein Saustall hier!“ schreit der
    Nabob fassungslos.
    „Das ist Ihr Meisterwerk, Monsieur Ghoul.“
    Einige Sekunden lang ist er sprachlos, als er mich
    hinter sich entdeckt. Dann bellt er: „Wer hat Ihnen
    erlaubt, hier hereinzukommen? Wo ist Chérif?“
    „Sie meinen Ihren Moby Dick? Der ist ein für al-
    lemal untergegangen.“
    Sein Gesicht färbt sich feuerrot, seine Hängeba-
    cken zittern.
    „Wie konnten Sie es wagen, bei mir einzudrin-
    gen?“
    „Das frage ich mich auch.“
    „Haben Sie den Verstand verloren, Kommissar?“
    „Nun, sagen wir, ich habe viele Freunde verlo-
    ren.“
    Es ist ein wahres Vergnügen zu sehen, wie der
    Adamsapfel in seinem krebsroten Hals auf- und
    abhüpft. Gleich darauf hat er sich wieder unter
    Kontrolle und geht zum Telefon.
    „Lohnt sich nicht, Monsieur Ghoul. Wir sind
    vom Rest des Landes völlig abgeschnitten. Wir
    sind nur zu viert: der Teufel, Gott, Sie und ich.“
    „Sie machen sich lächerlich, Kommissar. Sam-
    meln Sie Ihren Ramsch wieder ein und verschwin-
    den Sie. Ich hatte einen harten Tag. Ich will allein
    sein.“
    Er geht.
    „Ghoul!“ Mein Schrei fährt durch ihn hindurch.
    „Ich weiß alles.“
    Er wiegt den Kopf, kommt zurück, lehnt sich ge-
    gen einen Sessel und mustert mich verächtlich:
    „Was Sie nicht wissen, Kommissar, ist, welche
    Grube Sie sich gerade graben. Kleine Versager
    Ihres Kalibers stellen sich nicht gegen mich, sie
    liefern sich mir aus … Sie sind gekommen, um
    mich zu verhaften? Das glauben Sie doch selber
    nicht. Einen Ghoul Malek verhaftet man nicht …
    Was hoffen Sie mit Ihren idiotischen Bildchen zu
    erreichen? Mein Gewissen? Mich zu erweichen?
    Schuldgefühle bei mir zu wecken …? Sie Idiot. Sie
    haben gar nichts verstanden. Seit Anbeginn der
    Welt gehorcht die Gesellschaft einer Drei-Stufen-
    Dynamik. Die einen regieren. Die anderen vernich-
    ten. Die dritten wachen darüber. Ein Staatschef
    braucht keine grauen Zellen, seine Krone reicht
    ihm. Ihnen, Kommissar, genügt voll und ganz Ihr
    Käppi. Begnügen Sie sich damit, die Ohren steif zu
    halten. Alles andere geht Sie nichts an. Die soziale
    Hierarchie wird von einer Energie gesteuert, die
    sich von der Regierung und ihren Untertanen nicht
    lenken läßt. Dieser Energie sind Skrupel fremd.
    Von Tabus hat sie nie etwas gehört. Was sie

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